Willicher Tafel: „Armut in Willich sieht man nicht“

Seit einem Jahr verteilt die Hilfsorganisation Lebensmittel an Bedürftige. Das erste Jahr ist laut der Vorsitzenden Christa Disselkamp gut gelaufen. Bis zu 70 Familien kommen pro Tag.

<strong>Willich. Bis zu 70 Familien kommen an einem einzigen Tag. Fast eineinhalb Stunden stellen sie sich in die Schlange, um Brot, Obst, Gemüse oder Fleisch zu bekommen. Den größten Andrang gibt’s am Monatsende an der Ausgabestelle in der Grundschule im Mühlenfeld. "Dann merkt man, dass die Leute kein Geld mehr haben", berichtet Christa Disselkamp, Vorsitzende der Willicher Tafel. Als sie und ihre ehrenamtlichen Mitstreiter sich vor genau einem Jahr anschickten, erstmals Lebensmittel an Bedürftige im Stadtgebiet zu verteilen, gab es nicht wenige Stimmen, die sagten: "So etwas brauchen wir in Willich gar nicht." Doch die Realität sieht anders aus: "Armut gibt’s auch hier - man sieht sie nur nicht", sagt Disselkamp. Und berichtet zum Beispiel von der Frau aus Schiefbahn, die anfangs oft und dann plötzlich gar nicht mehr kam - um schließlich völlig abgemagert irgendwann wieder in der Schlange zu stehen. "Ich hatte geglaubt, ich nehme anderen etwas weg", habe sie ihr Wegbleiben begründet. Solche Fälle erschüttern die Helfer immer wieder. Denn auch nach einem Jahr, so Christa Disselkamp, haben viele eine große Scheu davor, zu den Bedürftigen zu gehören und für alle sichtbar in der Schlange zu stehen. Fast 900 Männer, Frauen und Kinder kommen regelmäßig - da in der Stadt aber allein 2000 Menschen von Hartz IV leben, sei der potenzielle Kundenstamm viel größer. Die kritischen Stimmen sind mittlerweile verstummt, die Arbeit der Tafel wird anerkannt. Erst jüngst war Disselkamp bei der CDU zu Gast und bekam am Ende viel Lob zu hören. So etwas freut und motiviert die ehrenamtlichen Helfer, die sich auf der anderen Seite selbst oft hilflos fühlen, wenn sie mit besonders schlimmen Fällen von Armut konfrontiert werden. Das erste Jahr, so Christa Disselkamp, sei gut gelaufen. Nackenschläge blieben aber nicht aus. Vor allem das Lieferfahrzeug machte Ärger, denn es gab kleine Unfälle und einen Fall von nächtlichem Vandalismus. Für eine Organisation, die auf Spenden angewiesen ist, sei es nicht leicht, die dann fälligen Rechnungen zu zahlen. Trotz anziehender Konjunktur glaubt Disselkamp nicht daran, dass sie demnächst die Tafel aufheben kann: "Der Bedarf wird nicht schwinden." Ihre Organisation baut deshalb vor: Mit einem neuen Mietvertrag werde man sich langfristig Räumlichkeiten auf einem alten Bauernhof auf den Fellerhöfen sichern.

Willicher Tafel

Jubiläum: Seit dem 29. Mai 2006 verteilt die "Willicher Tafel" Lebensmittel. Das einjährige Bestehen wird am Mittwoch, 30. Mai, von 15 bis 18 Uhr auf dem Gelände des ehemaligen Bauhofs des Wasserwerks, Fellerhöfe 1, gefeiert.

Helfer: Knapp 70 ehrenamtliche Helfer arbeiten rund 200 Stunden in der Woche für die Tafel. Etwa 30 Firmen aus Willich und Umgebung unterstützen die Idee mit Lebensmittelspenden.

Kunden: Im ersten Jahr konnte die Tafel 367 Familien unterstützen. Das sind fast 900 Menschen, davon 364 Kinder.

Informationen im Internet: www.willicher-tafel.de