Wo sollen die Flüchtlinge hin?

Im Vorfeld der Ratssitzung ging es an der Rollenden Redaktion vor allem um den Standort Industriestraße.

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St. Tönis. Die WZ-Umfrage zum Thema Unterbringung von Flüchtlingen in Tönisvorst geriet am Donnerstag zu einer Art Familientreffen. Denn die meisten Bürger, die zwischen 11 und 12 Uhr zur Rollenden Redaktion auf der Hochstraße kamen, trugen den Nachnamen Lambertz.

Einige von ihnen sind Anwohner der Industriestraße, an der nach dem Willen der Stadtverwaltung 130 bis maximal 180 Asylbewerber in der ehemaligen Daihatsu-Zentrale untergebracht werden sollen. Eine entsprechende Entscheidung in der Ratssitzung am Donnerstasgabend war bis zum Redaktionsschluss noch nicht gefallen.

„Wir wohnen genau gegenüber“, erzählte Helene Lambertz, die Kritik an der Verwaltung äußerte: „Wenn es um die Flüchtlingsunterbringung geht, heißt es, der Bereich sei kein klassisches Gewerbegebiet. Uns aber sagt man, wir seien an dieser Stelle ,nur geduldet’, dürften nicht privat bauen und noch nicht einmal kleinste Veränderungen am Bestand vornehmen.“

Ihre Alternative zu den Plänen der Stadt: „60 Flüchtlinge maximal im Daihatsu-Bau, und das höchstens ein bis zwei Jahre lang.“ Und: „Wir würden den Leuten kleine Wohnungen anbieten.“

Einhelliger Tenor am WZ-Mobil war, dass die Flüchtlingspolitik der Stadt ohne jedes Konzept sei. „Die haben das Thema verpennt“, lautete beispielsweise eine Aussage. Die Anwohner der Industriestraße regten sich vor allem darüber auf, dass keiner mit ihnen im Vorfeld über die Planungen gesprochen habe. Nur durch Zufall habe man davon erfahren.

Konstanze und Heiner Lambertz sind für kleinere Unterkünfte. Die Beiden schlagen vor, Landwirte zu fragen, ob sie die Unterkünfte, in denen während der Saison ihre Erntehelfer wohnen, nicht für einige Monate zur Verfügung stellen können. Sie betreiben an der Industriestraße einen Gartenbaubetrieb und wohnen auch dort.

Sie wollen den Flüchtlingen helfen, fordern aber — wie die meisten Anwohner — ein Gesamtkonzept für die Flüchtlingspolitik in der Stadt. Es werde nicht vorausschauend genug gearbeitet. „Die Umstände sind das Problem, nicht die Personen“, sagt Konstanze Lambrecht.

Das Ehepaar hat auch schlechte Erinnerungen an die Jahre 1991 bis 2001, als in Containern an der Industriestraße zirka 60 Flüchtlinge untergebracht waren. Außerdem fühlen sich Konstanze und Heiner Lambertz schlecht informiert. Mit ihnen habe keiner gesprochen, bis sie selbst bei der Stadt angefragt hätten. „Wir Anwohner werden komplett alleingelassen“, sagt Konstanze Lambertz.

Hildegard Smout, die aus St. Tönis stammt, jetzt aber in Berlin lebt, wünscht sich eine Betreuung der Flüchtlinge durch Sozialarbeiter. „Sie sind doch traumatisiert“, sagt sie. „Man sollte ihnen außerdem Arbeit geben“.

Es gebe in St. Tönis 30 bis 40 leerstehende Wohnungen, sagt Peter Heinz Lambertz. Fraglich ist allerdings, ob deren Eigentümer sie für die Unterbringung von Flüchtlingen vermieten wollen.

Eine Anwohnerin, die nicht zur Familie gehört und ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagte, ihre Familie habe keinen Platz, um selbst Flüchtlinge aufzunehmen. Außerdem habe sie „Angst“. „Ich mache mir Sorgen um meine Kinder“, so die Frau. Ihre Begründung: „Zu viele Leute auf einem Fleck und kein Konzept — das kann nicht funktionieren.“

Dagegen sagte Heinz Valentin mit Blick auf den „menschlichen Aspekt“: „Es ist eine Situation, mit der man leben und die man akzeptieren muss.“ Er erinnerte an die Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg, die ja auch aufgenommen worden seien.