Ehrgeiz und Stress lösten bei Caroline Lünenschloss Depressionen aus Mentale Gesundheit ist ein zentrales Thema – aus eigener Erfahrung
Eines der zentralen Themen von Caroline Lünenschloss ist die mentale Gesundheit. Das hat persönliche Hintergründe: „Ich habe während des Abiturs Depressionen entwickelt, die sogar sehr schlimm waren, so dass ich auch länger in Behandlung war.“ Dabei habe sie bemerkt, wie groß die Hürden mit dieser Krankheit sind.
„Wir haben eine hohe Stigmatisierung. Wenn man ausspricht, man hat Depressionen, wird man erst einmal als leistungsschwach einkategorisiert – wo ich mich selber absolut nicht einordnen würde“, erzählt sie.
Sie hörte, dass sie einfach einmal lächeln solle. „So einfach ist es aber nicht, weil es eine Krankheit ist. Wenn man dann eine Behandlung sucht, läuft man ständig vor Wände.“ Es gebe nicht genügend Behandler, die von der Krankenkasse zugelassen sind, und diese seien extrem ausgelastet. „Sie suchen sich ja Hilfe, wenn Sie am Tiefpunkt angelangt sind, und wenn Sie dann anrufen und hören ständig nur, es gibt erst wieder in einem Dreivierteljahr einen Platz, dann denken sie: Ich weiß gar nicht, ob ich das bis dahin schaffe. Das macht das extrem bedrückend.“ Diese Situation möchte sie ändern.
Gleichzeitig habe sie während ihrer Krankheit viel reflektiert und erkannt, welche Mechanismen psychische Krankheiten auslösen können. Da will sie jetzt als Politikerin ansetzen. In der Schule lerne man viel zu wenig über psychische Erkrankungen, dass etwa Botenstoffe aus dem Gleichgewicht kommen können und so unabhängig von Tätigkeiten psychische Probleme auslösen können. Auch einen Sonderurlaub zur Selbstreflexion – ähnlich wie ein Bildungsurlaub – stellt sich die Politikerin sinnvoll vor.
Ein Problem sei auch, dass Antidepressiva so stark stigmatisiert seien, obwohl sie extrem hilfreich seien. „Wenn jemand Bluthochdruck hat, nimmt er ja auch Tabletten.“ Kritisch sieht sie auch die Obergrenze an Behandlungsstunden: „Wenn es Ihnen dann nicht besser geht, haben Sie Pech gehabt. Das ist ein System, in dem kann ich nicht leben, ohne mich dafür einzusetzen. Mir ist es total wichtig, dass Menschen die Hilfe bekommen, die sie benötigen.“
Bei ihr habe Stress die Depression ausgelöst, da sie sehr ehrgeizig sei. „Das kann einem im Weg stehen, wenn man nicht weiß, wie man entspannt. Ich brenne sehr für meine Themen – da muss man aufpassen, dass man nicht ausbrennt, und lernen, nein zu sagen.“ Heute geht sie gerne zur Erholung in die Sauna oder ins Schwimmbad, liest oder unternimmt etwas mit Freunden. Dabei darf es neben Sachliteratur gerne auch ein kitschiger Roman sein. Beim Weggehen bevorzugt sie tagsüber das Café Hutmacher in Utopiastadt, abends das Sausalitos „und der Abend endet jedes Mal in der Marlene“.
Ihren Urlaub verbringt Caroline Lünenschloss gerne am Strand – allerdings nicht beim Sonnenbaden, sondern dem Erkunden der Umgebung und dem Besuch der ansässigen Kirchen. Im Winter fährt sie gerne Ski. Als evangelische Christin sei sie zwar gläubig, gehe jedoch selten in die Kirche. „Ich glaube aber schon, dass da etwas ist, das uns leitet.“ Deshalb habe sie sich den Spruch „Wer ein Leben rettet, rettet eine ganze Welt“ auf ihren Unterarm tätowieren lassen.
Auch ganz praktisch lebt Lünenschloss diese Einstellung und begleitet gemeinsam mit ihrem Partner Sterbende auf ihrem letzten Weg. „Erst hatte ich große Berührungsängste, aber dann habe ich gemerkt, wie toll das ist. Man schaut ganz anders auf das Leben.“
Wenn Caroline Lünenschloss die Bundestagswahl gewinnt, dann will sie am nächsten Tag gemütlich frühstücken gehen und dann Kleidung für die neue Aufgabe einkaufen gehen – natürlich in Wuppertal. ll/tah