Baulärm an der Kabelstraße: Mieterin ist verzweifelt
Kurz nach dem Einzug von Rigmo Mohamed hat die Kernsanierung im Haus begonnen. Seitdem hat sie keine Ruhe mehr.
Immer wieder kämpft Rigmo Mohamed mit den Tränen. Immer wieder muss sie tief Luft holen, damit sie den nächsten Satz aussprechen kann. Ihre Stimme ist zittrig, manchmal wütend. Rigmo Mohameds Nerven liegen blank. Weil sie es in ihrer Wohnung an der Kabelstraße kaum noch aushält. Lange Zeit hat die alleinstehende Frau nach einer Wohnung gesucht — ihre Mittel sind klein, ihre Ansprüche nicht groß. Nur so viel sollte ihr neues Zuhause haben: Im Erdgeschoss musste es sein, barrierefrei und eine Garage haben, damit Mohamed ihren Scooter parken kann. Denn Rigmo Mohamed ist auf einen elektronischen Rollstuhl angewiesen. Die paar Schritte daheim schafft sie mit Mühe und Not. „Aber draußen kann ich das nicht mehr“, sagt sie. Das Rentenamt bescheinigt ihr eine 100-prozentige Behinderung.
Anwalt Ulrich Paulussen über den Grund, warum andere Mieter sich nicht beschweren
Im September vergangenen Jahres wurde die frühere Reiseverkehrskauffrau fündig, lieh sich von Freunden Geld, um die Wohnung aufzuhübschen. Rigmo Mohamed dachte, sie habe den Ort gefunden, an dem sie alt werden kann. Bis ein paar Tage später das Haus an einen neuen Eigentümer verkauft wurde. Seitdem hat sie kaum einen Moment mehr Ruhe, sagt sie.
„Seit einem Jahr wird die Wohnung über mir saniert“, so Mohamed. Auch in der Mittagszeit und an Feiertagen. „Das letzte Mal am 3. Oktober“, erinnert sich die Mieterin. Dafür habe sie auch Zeugen, einen Freund, der zu Besuch war. „Bohren, Hämmern, Schleifen, den ganzen Tag. Das hält doch keiner aus“, sagt Frank Bauske, der regelmäßig zu Rigmo Mohamed kommt. Er arbeitet für die Tafel, bringt Mohamed immer mal etwas zu essen mit, „weil ihr Rollator die Strecke nicht zurücklegen kann“, erzählt er.
Wenn Rigmo Mohamed Besuch erwartet, warnt sie inzwischen vor, dass ihre Klingel nicht funktioniert. Die Gäste müssen Mohamed auf dem Handy anrufen, damit sie die Tür öffnen kann. „Vor Wochen kamen Arbeiter in meine Wohnung, mussten ein Loch in meine Wand bohren“, sagt Mohamed. „Unangemeldet.“ Das sei nicht rechtens, sagt Ulrich Paulussen, Rigmo Mohameds Anwalt. Ein Vermieter muss sich ankündigen, „bei großen Reparaturen sogar drei Monate im Vorfeld“. Das golfball-große Loch klafft noch immer neben der Tür, Kabel hängen raus. „Die für die Klingel“, sagt Mohamed. Mehrfach hat Rigmo Mohamed versucht, ihre Vermieterin zu kontaktieren. „Die weiß aber nie von etwas“, sagt die verzweifelte Frau.
Der erste Rat von Ulrich Paulussen war: ausziehen. Aber das kann sich Mohamed nicht leisten. Vor einigen Tagen hat sich Paulussen schriftlich an die Eigentümer gewendet mit der Androhung einer Mietminderung. „Bisher gab es noch keine Reaktion“, sagt Paulussen.
Bereits im Februar wurde ein solcher Brief an die Eigentümerin verschickt. Ein Bekannter von Mohammed — der Anwalt der Familie, die im zweiten Stock wohnt — kümmerte sich unentgeltlich darum. „Die Vermieterin bestritt alles“, sagt Rechtsanwalt Malek Shaladi. Mohameds Nachbarn übrigens wollen im Augenblick nichts zur Lage an der Kabelstraße sagen. „Sie haben Angst“, weiß ihr Anwalt. Denn auch sie mussten sich einiges gefallen lassen. Zum Beispiel eine zweiwöchige Sanierung ihrer Wohnung, wie Shaladi berichtet. „Das Ehepaar und die Tochter lebten in dieser Zeit auf engstem Raum in einem Zimmer“, sagt er. „In diesem Fall hätte die Vermieterin für eine alternative Unterkunft sorgen müssen, ein Hotel zum Beispiel oder eine Wohnung.“
Zu einer Stellungnahme waren die Eigentümer nicht bereit. Auch wenn ein erneuter Umzug für sie körperlich kaum möglich ist — Rigmo Mohamed will nur noch weg. Sobald sie eine Wohnung findet, die sie bezahlen kann.