Behindertenprojekt in Rheydt: Eigenständig leben — auf Probe

In einer Wohnung in Rheydt können Behinderte ausprobieren, ob sie alleine klar kommen. Die WZ hat mit Bewohnern gesprochen.

Mönchengladbach. Die Kartoffeln fürs Mittagessen sind schon geschält. Dazu soll es Brechbohnen geben: „Jetzt kann ich endlich selber entscheiden, was ich esse“, sagt Heinz-Josef Hortmanns. Bisher wohnte der 46-Jährige bei seiner Schwester in Schelsen. Konflikte gab es häufig.

Mitte März wagte der Mitarbeiter der Hephata-Werkstätten daher den Weg in die Selbstständigkeit und wohnt bis Mitte Mai probeweise alleine.

Zur Seite stehen dem behinderten Mann sein gesetzlicher Betreuer und Kamilla Grollik vom Fachdienst Ambulant Betreutes Wohnen der PariSozial: „Einmal sonntags hat mich sein Notruf erreicht. Es ging um Unterstützung beim Wäsche waschen“, erzählt Kamilla Grollik.

Hortmanns ist nachts alleine, steht selbstständig auf und geht zur Arbeit. Ansonsten hat er verbindliche Ansprechpartner und wird je nach Bedarf regelmäßig beim Organisieren des Alltags unterstützt.

Seit 2009 finanziert der Landschaftsverband Rheinland (LVR) Menschen mit Behinderungen den Aufenthalt in der Probewohnung in Rheydt. Im Rheinland gibt es aktuell vier dieser Angebote für Erwachsene und Jugendliche mit überwiegend geistiger Behinderung, die noch in ihrer Herkunftsfamilie oder in Wohnheimen leben.

„Wir wollen möglichst vielen Menschen mit Handicap ermöglichen, dass sie lernen können, selbstständig zu sein und ein selbstbestimmtes Leben zu führen“, erklärt Barbara Lenzen, Abteilungsleiterin im LVR-Dezernat Soziales und Integration.

43 Menschen haben bisher in der Rheydter Wohnung gelebt. Auch Schulgruppen der Gladbacher Förderschulen kommen hier zeitweise unter. Die Beratungsstelle für Menschen mit geistiger Behinderung KoKoBe ist erste Anlaufstelle für Fragen rund um das Probewohnen.

Zu den Netzwerkpartnern in Gladbach gehört auch die Abteilung Ambulante Hilfen der Stiftung Hephata. „Das Angebot erleichtert unsere Arbeit sehr. Besonders Eltern sind oft kritisch, wenn ihre Kinder ausziehen wollen“, sagt Christopher Micha von KoKoBe.

Die ehemalige Nutzerin der Probewohnung Carina Schwindt hat ihre Eltern überzeugen können, dass sie allein zurechtkommt. „Ich habe gelernt, Wäsche zu waschen, zu kochen und einzukaufen“, erzählt die 24-Jährige stolz.

Es falle ihr nach der Probezeit auch leichter einzuschätzen, wann sie Unterstützung braucht.

Tobias Schümmelfeder hat das Wohnen auf Probe geholfen, sich für eine Wohnform zu entscheiden: „Ich ziehe in eine Hephata-Wohngruppe mit eigenem Zimmer. Hier kann ich bei Bedarf Hilfe bekommen und Kontakt zu Mitbewohnern haben“, erzählt der 24-Jährige.