Rheydt. Anfangs war der Widerstand groß. Es gab Plakate in Fenstern und Geschäften gegen das geplante Rheydter Café Pflaster. Eltern sorgten sich um ihre Kinder. Sie befürchteten, dass diese auf dem Schulweg mit Junkies in Berührung kommen könnten.
"Dieser Widerstand hat sich inzwischen gelegt", sagt Martina Schillbach. Sie ist beim Diakonischen Werk Fachbereichsleiterin für die Wohnungslosenhilfe und als solche zuständig für das Café Pflaster. Das hat vor einem halben Jahr seine Arbeit an der Brucknerallee 35 aufgenommen und zog gestern Bilanz.
"Die Nachbarn stehen uns positiv gegenüber" lautet das Resümee der Arbeit. "Aber wir haben ihre Bedenken immer ernst genommen", sagt sie. Man suchte und suche den Dialog. Zu regelmäßigen Treffen sind auch Vertreter der angrenzenden Schulen eingeladen.
Die Mitarbeiter der Diakonie arbeiten in einem Netzwerk auch mit anderen Institutionen zusammen, die sich mit der Klientel beschäftigen. Ärzte, Kliniken, Polizei und der kommunale Ordnungsdienst schicken Vertreter zu den Konferenzen, in denen auffällige Probleme einzelner Menschen aus der Szene besprochen werden. "Jeder von uns hat einen anderen Blickwinkel, und da finden sich plötzlich ganz neue Lösungen", sagt Schillbach.
Die Einrichtung ziehe nicht - wie von den Anwohnern gefürchtet - ein "schlechtes Milieu" nach Rheydt. Stattdessen biete es Menschen einen Anlaufpunkt, für den sie dankbar seien und mit dem sie pfleglich umgingen. "Wenn einer von ihnen auf der Straße vor unserer Tür eine Flasche auf der Straße sieht, hebt er sie auf und entsorgt sie korrekt", sagt Dirk Goedeking, Leiter der Einrichtung.
30 bis 60 Menschen kommen vormittags hierher, trinken einen preiswerten Kaffee und essen Brötchen, Eier und was die Küche sonst noch zu bieten hat. "Sonst würden die wahrscheinlich mit einem Jägermeister und einem Bier in den Tag starten", sagt er. Das Café Pflaster bietet ihnen vier Stunden am Tag ein Dach über dem Kopf und eine warme Stube.
Dafür unterwerfen die Besucher sich klaren, aber strengen Regeln: Kein Alkohol, keine anderen illegalen Drogen, keine Waffen. "Bislang haben wir kaum ein Lokalverbot aussprechen müssen."
Inzwischen kommen aus der Nachbarschaft auch Kleider- und Lebensmittelspenden. "Die Anwohner haben gesehen, dass das ganz normale Menschen sind", sagt Schillbach. 80 Prozent sind Männer, 20 Prozent Frauen. "Wir haben hier den Diplom-Mathematiker und Ingenieur und Menschen, die nie eine Berufsausbildung oder eine Schule abgeschlossen haben", ergänzt Goedeking.
Um die Hemmschwelle weiter zu senken, ist Manuela Brülls als Streetworkerin unterwegs und spricht die Menschen an. Sie ist Krankenschwester und hat im Haus einen Erste-Hilfe-Raum. Eine Dusche ist für die Klienten ebenfalls vorhanden. Zweimal in der Woche sind Sozialarbeiter für Beratungsstunden vor Ort.