Der Mordfall Erol P. – Eine Anwältin rechnet ab

Buchvorstellung: In „Kein Schutz, nirgends“ erhebt die Verteidigerin der Mordopfer Vorwürfe gegen die Justiz.

Mönchengladbach/Rheydt . Nachdem Erol P. wegen des Mordes an seiner Frau und seiner Tochter zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt wurde, rechnet die Anwältin Gülsen Celibi mit der deutschen Justiz ab. Die Düsseldorferin hatte die später von ihrem Mann ermordete Mutter in dem Sorgerechtsverfahren gegen P. vertreten. Im Anschluss an den Termin vor dem Rheydter Familiengericht tötet er seine Frau und seine Tochter auf offener Straße mit gezielten Kopfschüssen.

In ihrem Buch "Kein Schutz, nirgends" erzählt Celibi die Geschichte der Familie P. aus ihrer Sicht - emotional, tränenreich und teilweise vor Pathos triefend. Der türkische Familien-Patriarch wird darin als Feind, die Freiheit deutscher Frauen als Ideal gezeichnet.

Noch im Familiengericht habe sie den Richter angewiesen, P., gegen den ein Haftbefehl vorlag, festnehmen zu lassen. Das geschah jedoch nicht. Für Celebi spiegelt sich darin eine in der deutschen Gesellschaft verbreitete Ignoranz gegenüber Gewalt im Migrantenmilieu. "Manche wollen gar nicht so genau hinschauen. Lieber sprechen sie darüber, dass man keinesfalls pauschal über Türken und Moslems urteilen sollte", sagt Celibi.

Manfred Koch, Vorsitzender des Mönchengladbacher Anwaltvereins, kritisiert seine Kollegin. "Für mich ist Frau Celibi viel zu emotional aufgetreten. Dass sie der Justiz vorwirft, Probleme im türkischen Kulturkreis nicht zu sehen und deshalb nicht zu handeln, ist falsch. Damit würde sie der deutschen Justiz ja klammheimlich Kumpanei und absichtliches Wegsehen unterstellen. Etwas Derartiges habe ich als Anwalt nie erlebt." "Dennoch", fügt er hinzu, "finde ich es mutig, ihre Sicht so darzustellen".

Davon, dass Celibi mutig sei, will Gerd Meister nichts wissen. Meister vertritt Erol P. als Strafverteidiger. "Für mich ist die Kollegin einfach nur peinlich. Wer Frau Celibi vor Gericht im Strafverfahren erlebt hat, weiß, dass sie sich permanent am Rande einer Straftat bewegt hat."

Für Celibi ist nicht nur Erol P. Schuld an der Tötung zweier Menschen. Polizisten, Richter, Politiker - sie alle hätten den Mord verhindern können. Doch sie unternahmen nichts, schreibt sie sinngemäß. "Das ist unglaublich, so etwas zu behaupten", sagt Meister.

"Wenn sie doch wusste, wie gefährlich Erol P. ist, und wusste, dass er zum Verfahren vor dem Familiengericht kommt, warum hat sie ihre Mandantin überhaupt mit dorthin genommen? Warum informiert sie nicht über Notruf die Polizei? Das ist mir unbegreiflich."

Er hat unterdessen Revision eingelegt. Nun wird der Bundesgerichtshof entscheiden müssen, ob das Urteil gerecht ist.

Kein Schutz, nirgends, Heyne Verlag 9,95 Euro, ISBN 978-3-453-64519-6. IdS