Die Glücksbringer sind in Not

In Mönchengladbach ist die Zahl der Schwalben rückläufig — sie finden einfach zu wenig Nistplätze.

Auf dem Lenßenhof am Rande Odenkirchens herrscht dichter Flugverkehr: Schwalbeneltern bringen im Minutentakt Futter für den hungrigen Nachwuchs. Im Sommer wird die zweite Brut groß gezogen. Überall zwitschert es. „Wenn die Schwalben nicht da sind, fehlt etwas“, sagt Biobauer Joachim Kamphausen. „Im Frühling warten wir schon auf sie.“ Rauchschwalben hat es auf dem Hof schon immer gegeben.

Sie bauen ihre Nester in den Ställen oder Durchgängen, manchmal auch — wenig praktisch für die Menschen — auf Steckdosenleisten. Joachim Kamphausen lässt sie gewähren, unterstützt sie sogar mit künstlichen Nistplätzen oder in trockenen Sommern mit Wasserschalen und feuchter Erde für den Nestbau.

Natürlich machen die Schwalben dem Bauern auch Arbeit: Der Boden unter den Nestern muss regelmäßig gesäubert werden. Unter anderen Nestern verhindern Bretter, dass der Kot der Vögel zu Boden fällt. Aber die Arbeit lohnt sich. „Es ist einfach schön, wenn die Jungen ihre Flugübungen im Stall machen“, sagt er. „Auch die Mitarbeiter und Kunden freuen sich darüber.“

Leider gibt es immer weniger Plätze wie den Lenßenhof in Mönchengladbach. „Die Zahl der Schwalben ist seit Jahren rückläufig“, bedauert Ruth Seidel, Vorsitzende des Natuschutzbundes (Nabu) Mönchengladbach. „Es gibt zu wenig Nistplätze, zu wenig Nistmaterial.“ Die Scheunen werden verschlossen, die Wände verputzt, die Dächer gedämmt. Es gibt einfach zu wenig Feldwege mit Pfützen und zu viele Asphaltstraßen.

Die Sommerboten, seit dem Altertum als Glücksbringer verehrt, sind in Not. Zwei Arten von Schwalben leben in der Region: die Rauchschwalben, die auf Bauernhöfen wie dem Lenßenhof zu finden sind — jedenfalls im Idealfall — und die Mehlschwalben, die unter den Hausdächern nisten.

Verwechselt werden die Schwalben oft mit Mauerseglern, deren Silhouette ähnlich aussieht, wenn sie hoch am Himmel ihre Kreise ziehen. „Mauersegler quietschen, Schwalben zwitschern“, erklärt Ruth Seidel den Unterschied.

Die Mönchengladbacher nehmen den Rückgang der Schwalben anscheinend gelassen hin — jedenfalls gab es kaum Bewerbungen um die Auszeichnung „Schwalbenfreundliches Haus“, die der Nabu Mönchengladbach in diesem Jahr ausgeschrieben hat. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Stadtbewohner schon vergessen haben, wie viel Leben eine Schwalbenfamilie in Haus und Hof bringt, wie sehr das Zwitschern der Vögel zum Sommer gehört.

Wenn sie sich für die Reise in den Süden sammeln, beginnt der Herbst. Bis zu 120 Schwalben sitzen dann auf den Leitungen rings um den Lenßenhof. Und wenn sie weg sind, freuen sich die Hofbewohner schon wieder auf ihre Rückkehr.