Jazz: Der Mann am Klavier
Horst Bild, „Ur-Gladbacher“ und Kommissar außer Dienst, gibt heute sein letztes Konzert.
Mönchengladbach. Horst Bild sitzt im Wohnzimmer am Klavier, einem altehrwürdigen Modell mit zwei Kerzenhaltern links und rechts neben dem Notenständer. Auf dem Instrument stehen gerahmte Fotos und kleine Vasen. Der schlanke junge Mann im dunklen Anzug und mit viel Pomade im Haar hat die Augen geschlossen, die Hände liegen locker auf der Tastatur. Mit dem linken Mundwinkel deutet der Pianist ein smartes Lächeln an.
Mehr als 50 Jahre später: Horst Bild sitzt im Garten seines Hauses an der Mathildenstraße. Er trägt ein weißes Sommerhemd, Jeans, Sandalen. Das Haar des pensionierten Kriminalkommissars ist deutlich weniger geworden, dafür ist der Bauch rundlicher als auf dem Piano-Foto in Schwarz-Weiß von 1955. Der 68-Jährige hat Erinnerungsstücke auf den Gartentisch gelegt. Neben Aufnahmen aus seiner Jugendzeit zeigt er eine Langspielplatte in vergilbter Hülle. "Jetzt ist der Deckel auch noch ab", ruft er seiner Frau Margret zu und hält ein dünnes Stück des Covers in der Hand. "Muss mal wieder kleben." Mehrere Tesafilm-Streifen zeigen, dass es nicht das erste Mal wäre.
Der Sampler mit Jazz-Stücken, unter anderem von den Charlie-Parker-Allstars oder dem Art Tatum Trio, war Bilds erste Platte. Heute, Jahrzehnte später, steht ein großer Schrank voll mit schwarzen Scheiben im Wohnzimmer, hinzu kommen rund 800 CDs mit Blues, Dixieland oder New Orleans.
"Es gibt keinen Tag, an dem in diesem Haus keine Jazz-Musik erklingt", sagt der "Ur-Gladbacher", wie er sich selbst nennt. Und diese Musik kommt nicht nur aus den Boxen: Seit seinem elften Lebensjahr spielt Bild Klavier, als Teenager begann er mit dem Jazz. "Ich hatte zum Glück einen modernen Klavierlehrer, der hat mit solche Themen beigebracht." Sehr zum Entsetzen der Mutter, die von ihrem Sohn eigentlich Beethoven und Mozart erwartete. "Irgendwann hat sie es hingenommen, aber es war nicht ihre Welt."
Mit Freunden wird die erste Band gegründet. "Bei uns im Wohnzimmer traf man sich, weil dort das Klavier stand", erzählt Horst Bild. Die erste Besetzung besteht aus Trompete, Klarinette, Banjo, Klavier. Das fehlende Schlagzeug wird durch zwei Schuhbürsten und eine umgedrehte Spülschüssel kompensiert.
Bald ist die Truppe in den Jazzkellerm Gladbachs zuhause, etwa dem der Gesellschaft Erholung - bis zum erfolgreichen Protest der dort verkehrenden "älteren Herren", wie Bild sich schmunzelnd erinnert.
Auch wenn er mit dem Spielen vor Publikum aus privaten und beruflichen Gründen eine Weile aussetzen musste - der Vater zweier Töchter hat die örtliche Jazz-Szene fast sein ganzes Leben lang mitbestimmt.
Doch jetzt soll definitv Schluss sein, die Finger machen nicht mehr so mit. Der zweite Mittwoch im Monat ist eine musikalische Institution im Gasthaus "Zum Stefanus" in Mennrath - heute, ab 19.30 Uhr, ist es der letzte für Bilds aktuelle Formation Mr. Feelgood’s Happy Jazz. Es werde ein schwerer Abend, sagt er mit hörbarer Wehmut. "Die wichtigste Frage momentan für mich ist, wie ich ihn überstehe."