Marmorkrebse leben ohne Sex

Wolfgang Gerkes vermehrt die Tiere, von denen es keine männlichen Individuen gibt.

Mönchengladbach. Alice Schwarzer wäre begeistert. "Die Marmorkrebse sind voll emanzipiert", sagt Wolfgang Gerkes. Der frühere Lehrer für Biologie und Chemie ist seit mehr als 50 Jahren Aquaristik-Freund und Mitglied im Verein für Aquarien- und Terrarienkunde in Mönchengladbach. Bei einer der Börsen, die der Verein allmonatlich veranstaltet, kam Gerkes vor etwa fünf Jahren auf diese Krebse.

Voll emanzipiert heißt: "Die brauchen keine Männchen, um sich fortzupflanzen", erklärt der 66-Jährige, der in Köln Biologie studiert hat. Bei einer Übung musste er damals einen Krebs sezieren, war begeistert, fragte seinen Dozenten nach der Herkunft des Schalentieres: "Bei Feinkost Wiesel am Dom", lautete die Antwort, und Gerkes kaufte sofort drei Stück, wie er sagt. Doch er setzte sie in ein Aquarium mit Flußbarschen. Und die stürzten sich auf die Krebse, sobald die sich häuteten.

Wenn Krebse wachsen, müssen sie ihre alte, zu klein gewordene Hülle abwerfen, die gleichzeitig ihrem Körper Stabilität gibt. Dann bilden sie eine neue, die zunächst noch weich ist, sie sind praktisch wehrlos, denn sie können auf den weichen Beinen auch nicht fliehen. "Und dann kommen die Flussbarsche, und ruckzuck haben die Krebse vier bisfünf Beine weniger." Danach hat er mit Krebsen erst mal eine Pause gemacht.

Mit seinen Marmorkrebsen hatte er hingegen von Anfang an Glück. "Bis ich begriffen habe, dass die Damen eigene Vorstellungen von der Innenarchitektur eines Aquariums haben."

Sie bestehen darauf, dass an der Rückwand eine Straße ohne Wasserpflanzen frei bleibt. Bis dahin haben sie die Pflanzen mit ihren Scheren abgeknipst, und die Blätter schwammen auf der Wasserfläche des Aquariums.

Auch wenn Marmorkrebse für ihre Fortpflanzung auf Sex verzichten, vermehren sie sich nach Gerkes Aussage doch "wie die Karnickel." Er hat sie inzwischen im Teich seines Wintergartens und kann ihre Zahl nicht abschätzen, doch erfahre die eine Beschränkung durch das Nahrungsangebot. "Dann kommt es zu Kannibalismus", sagt er.

Wichtig sei, dass die Krebse nicht im Freien gehalten werden. Sie könnten sich über Regenwasserrohre oder auch über Land verbreiten und die heimische Fauna schädigen. Die Krebse, die man heutzutage im Rhein oder in Baggerlöchern fange, seien Anfang des 20. Jahrhunderts eingewanderte Kamber-Krebse. "Hier waren ursprünglich Edelkrebse ansässig." Eine Rückbesiedelung mit dieser Art sei wohl nicht mehr möglich.

Wirkliche Zucht betreiben kann man mit den Marmorkrebsen nicht: "Das sind alles Klone, die sind genetisch nicht voneinander zu unterscheiden", sagt der 66-Jährige. Man kann also nicht solche heraussuchen, die einem besonders schön erscheinen und die der Fortpflanzung zuführen. Und die Art müsste aussterben, wenn die Umweltfaktoren unterträglich würden.