Mönchengladbacher Realschule geht Tabu-Thema an Schüler lernen die Alternativen zur Gewalt

Mülfort. · Auf der Realschule an der Niers gibt es einen Kurs, der Aggressivitäten verhindern soll.

In der Realschule an der Niers hatten die Schüler einer sechste Klasse die Möglichkeit, ihre Kommunikationsfähigkeiten zu erweitern.

Foto: Realschule an der Niers

Oft reicht ein falscher Blick oder ein Versehen, und die Situation eskaliert. „Da tritt ein Schüler einem anderen im Gedränge auf den Fuß, und schon gibt’s eins auf die Mappe.“ Tobias Leibold weiß, wovon er spricht. Er ist Lehrer an der Realschule an der Niers, und auch dort gibt es Schüler, die eklatante Mängel im Sozialverhalten haben: „Der eine Schüler hat nicht gelernt, sich zu entschuldigen, der andere empfindet den Fehltritt als Ehrverletzung.“ Die Folge: Es wird sich geprügelt.

An der Realschule an der Niers sprechen Schulleitung und Lehrer aus, was an vielen Schulen ein Tabu-Thema ist: Ja, es gibt gewalttätige Schüler, die wegen körperlicher Übergriffe vorübergehend vom Unterricht ausgeschlossen werden müssen. Und das komme gar nicht so selten vor. „Wenn man daüber nicht spricht, hat man ein wirkliches Problem“, sagt Schulleiter Werner Müller. An seiner Realschule wird etwas gegen die Verrohung getan: „Wir müssen Schüler zeitweise von der Schule verweisen, auch um die anderen zu schützen. Aber was hilft das dem Kind oder Jugendlichen, wenn wir ihn für zwei Wochen nach Hause schicken? Wir haben auch eine pädagogische Aufgabe.“ Oft sehe der Schüler die Suspendierung auch gar nicht als Strafe, sondern als Belohnung. „Schließlich kann er zwei Wochen ausschlafen“, sagt Müller.

Deshalb wurde an der Realschule in Mülfort ein Pilotprojekt gestartet: ein Trainingskurs für suspendierte Schüler. Angeboten wird er von Sozialpädagogin Amel Schlippes, finanziert durch die Borussia- und die Schaffrath-Stiftung. Wegen des Erfolgs möchte die Schule ihn gerne fortsetzen.

Die Schule würde das Projekt sogar noch ausweiten. „Die Bertelsmann-Stiftung hat herausgefunden, dass fast jedes dritte Kind schon an der Grundschule Gewalterfahrungen macht“, sagt Ilona Braf. Sie ist Sozialarbeiterin der Realschule an der Niers. Ein früher Ansatz sei wichtig. So sollen die Realschüler demnächst ab der fünften Klasse mithelfen, Regeln für den Umgang aufzustellen, und darauf achten, dass sie eingehalten werden.

Kurs vermittelt Umgangsformen und eine gute Impulskontrolle

Im vergangenen Schuljahr nahmen die gewalttätigen Schüler, die vom Unterricht vorübergehend ausgeschlossen wurden, an einem mindestens achtwöchigen sozialen Trainingskurs teil, den sie erst nach Verbesserung ihres Verhaltens wieder verlassen durften. Gearbeitet wurde an den Kommunikationsfähigkeiten, der Empathie anderen gegenüber, und an der Impulskontrolle der Schüler.

Außerdem hatte eine sechste Klasse die Möglichkeiten erhalten, eben diese Fähigkeiten beim gewaltpräventiven Projekt „Chill“ zu erweitern. Amel Schlippes: „Dabei wurden auch Kompetenzen der Schüler entdeckt. Einer konnte zum Beispiel sehr gut eine Gruppe leiten. Er hätte auch die Fähigkeit gehabt, die ganze Aktion kippen zu lassen. Aber er hat gelernt, die positiven Aspekte zu nutzen.“

Auch bei den Eltern kam das Projekt für suspendierte Schüler gut an. „Sie waren sehr dankbar, dass wir nicht nur regressive, sondern auch perspektivische Maßnahmen anboten“, sagt der Schulleiter.

Mehr gegenseitigen Respekt, Wertschätzung, die Einhaltung der festgelegten Regeln – „das ist ein Riesengewinn für die ganze Schule“, erklärt Leibold. Und deshalb hoffen Lehrer und auch Schüler, dass das Präventionsprojekt im kommenden Schuljahr auch für alle fünften Klassen angeboten werden kann. Ohne Sponsoren wird das allerdings nicht möglich sein. gap