Mönchengladbacher Klinikärzte warnen Kinderklinik warnt vor Vergiftungen
Mönchengladbach · Verätzungen, Verbrühungen und Vergiftungen: In die Kinderklinik am Elisabeth-Krankenhaus Rheydt werden teils sehr schwer verletzte Kinder und Jugendliche eingeliefert. Die Ärzte wollen sensibilisieren für die Gefahr, die von Medikamenten, Putzmitteln, aber auch von Spielzeug ausgeht.
(broo) Der Jugendliche hatte großen Durst und wollte ihn mit einem Erfrischungsgetränk löschen. Was er nicht wusste: In der Trinkflasche befand sich industrieller Backofenreiniger – was bei ihm binnen kurzer Zeit zu schweren Verätzungen der Speiseröhre führte. Er kam mit dem Rettungswagen ins Elisabeth-Krankenhaus.
Dieser Fall ereignete sich erst kürzlich und ist Anlass für die Kinderärzte der Klinik, vor den Gefahren zu warnen, die von chemischen Mitteln und Medikamenten im Haushalt ausgehen. Sie werden immer dann zur Gefahr, wenn sie für Kinder erreichbar sind und ihre Neugier wecken oder aber anders aufbewahrt oder etikettiert werden. „Reinigungsmittel sind leider einer der Klassiker“, sagt Oberarzt Daniel Kever. „Besonders Produkte, die eigentlich in der Industrie verwendet werden, sind sehr aggressiv und können zu gravierenden, manchmal bleibenden Verletzungen etwa der Atemwege, des Kehlkopfs oder des Magens führen.“
Immer wieder kommen Kinder und Jugendliche mit teils erheblichen Verätzungen, Verbrühungen oder Vergiftungen in die Klinik. Ein bis zwei Medikamentenvergiftungen bei Minderjährigen pro Woche zählen die Mediziner in der Rheydter Kinderklinik. „Es zeigt, wie zerbrechlich das Leben im Kleinen ist“, sagt Kinderarzt Kever. Auch der Giftnotruf in Bonn ist zurzeit stark nachgefragt, wie eine aktuelle Mitteilung auf der Internetseite deutlich macht.
Ein- bis zweimal im Jahr kommt es in Mönchengladbach zu solch schweren Verätzungen wie nun mit dem Backofenreiniger, so die Ärzte. Im vergangenen Jahr hatte sich ebenfalls ein Jugendlicher beim Versuch, die Flasche mit den Chlortabletten für den Pool aufzudrehen, den giftigen Dämpfen ausgesetzt, die von dem alten, in der Sonne gelagerten Mittel ausgingen, das unter dem Druck aufgesprengt wurde. Es kam zu einer schweren Schädigung der Lunge.
In einem Fall trank ein Kind Kühlerfrostschutzmittel
In einem anderen Fall hatte ein Kind versehentlich Kühlerfrostschutzmittel getrunken. Das Tückische hierbei: Die Substanz schmeckt süßlich; und die Symptome setzen erst mit Verzug ein. Generell gilt: „Man sollte keinesfalls warten, bis sich Symptome zeigen, sondern sofort tätig werden“, betont Daniel Kever. Tätig werden bedeutet, das Kind ins Krankenhaus zu bringen, den Rettungsdienst anzurufen oder sich bei der Giftnotzentrale in Bonn zu informieren. Gerade bei Vergiftungen oder Verätzungen gehe es um schnelles Handeln. „Ganz wichtig ist auch, dass man nicht etwa Erbrechen beim Kind herbeiführt, um die Substanz loszuwerden. Das kann den gegenteiligen Effekt haben, nämlich, dass die Speiseröhre noch stärker verätzt wird. Auch etwas hinterher trinken, kann falsch sein“, erklärt der Kinderarzt.
Die meisten Unfälle passieren im Haushalt und nicht etwa im Straßenverkehr – das gilt auch oder insbesondere für Kinder, sagt Oberärztin Mirjam Neunzig. Bei Kindern unter einem Jahr seien es vor allem Stürze, zwischen einem und vier Jahren handele es sich vorrangig um „ungewollte Vergiftungen“. Neunzig stellt dabei einige neuere Gefahrenquellen fest. Kinder spielen mehr mit elektronischem Spielzeug und darin sind oftmals Knopfzellbatterien mit einer hohen Stromdichte verbaut. „Die stecken sich Kinder in den Mund und schlucken sie wie ein Bonbon.“ Anders als herkömmliche Batterien würden diese nicht so schnell ausgeschieden. Es könne passieren, dass sie im Hals stecken bleiben und dort zu einer „thermischen Reaktion“ führen – wie eine Verbrennung durch Strom von innen. Auch wenn die Knopfzellen in den Magen gelangen, können sie größeren Schaden anrichten, wenn die ätzenden Substanzen freigesetzt werden. Tückisch sind ihr zufolge auch Magnetspiele mit kleinen Kügelchen, die ebenfalls von Kleinkindern verschluckt würden. „Die Kinder erzählen vielleicht gar nicht davon und es bleibt zunächst unentdeckt“, sagt die Kinderärztin. Es könne jedoch dazu führen, dass die Darmschleimhaut dazwischen eingeklemmt werde – auch diesen Fall habe es schon gegeben. Deshalb sei es wichtig, sein Kind zu beobachten und auf Symptome wie vermehrte Speichelbildung zu reagieren.
Was laut den Ärzten am häufigsten vorkommt, sind Vergiftungen durch Medikamente. Dabei greift nicht immer das Kind etwas aus einem ungesicherten Schrank. Teils dosieren Eltern versehentlich falsch oder geben ihrem Kind ein Mittel, das eigentlich für einen Erwachsenen bestimmt ist. Betroffen sind davon auch Säuglinge.
Eine Mutter wollte ihrem wenige Wochen alten Baby gegen das Fieber ein Zäpfchen geben, statt der für das Alter richtigen 75 Milligramm griff sie zu mit 1000 Milligramm fast 14-mal so hoch dosierten Paracetamol-Zäpfchen für Erwachsene, schildern die Ärzte einen solchen Vorfall. „Das sind leider keine Einzelfälle, sondern kommt gerade nachts im Halbschlaf nicht selten vor“, berichtet Kinderarzt Kever. Unentdeckt kann eine solche Überdosierung zu Leberversagen und sogar zum Tod führen. Kever: „Die Mutter stellte ihren Fehler glücklicherweise schnell fest und handelte umgehend, so wird das Baby keinen bleibenden Schaden davon tragen.“