Kunstwerk in Mönchengladbacher Kirche Um das Kreuz in der Citykirche gibt es Streit
Gladbach · Künstler Axel Vater schuf als Sinnbild für das „Lamm Gottes“ einen mit präparierter Haut bezogenen Korpus in Form eines Lamms. Kritiker sehen ein Schwein am Kreuz.
. Das Kreuz ist eine Arbeit von Axel Vater. Pfarrer Christoph Simonsen war mit dem Künstler bis zu dessen Tod 2014 befreundet. „Dieses Kreuz hat er mir geschenkt, und seitdem ich in der Pfarre St. Vitus arbeite, also seit dem 17. Mai dieses Jahres, hängt es in meinem Büro in der Citykirche“, sagt der Leiter der Cityseelsorge. Das Büro ist durch eine Glastür vom Kirchenraum aus einsehbar. „Und selbstverständlich habe ich oft Besprechungen in meinem Büro.“ Simonsen weiß, dass das Kunstwerk provoziert, so hatte es der Künstler schließlich gewollt.
Was der Pfarrer nicht ahnen konnte, war der Shitstorm, der seit einigen Tagen durch das Netz tobt. Angeblich hinge in der Citykirche ein Kreuz mit einem geschlachteten Schwein, wird behauptet. Es folgen Hass-Kommentare. Die Kreuz-Gegner haben Flyer in den Kirchen der Innenstadt verteilt und online eine Petition verfasst. Darin ist von einem „Schweinekadaver am Kreuz“ und von „Blasphemie“ die Rede. Die Unterstützer verlangen von Bischof Helmut Dieser, das Kreuz entfernen zu lassen.
In Wirklichkeit hängt ein künstlicher Korpus in Form eines Lamms am Kreuz. Überzogen ist die Form mit präparierter Haut und blutgetränkten Mullbinden. In einer Interpretation des Werkes, die Christoph Simonsen verfasst hat, schreibt er: „Was aber hat den Künstler Axel Vater bewogen, dieses Kreuz zu kreieren, dem jede und jeder zunächst mit Abscheu begegnen muss? Es interpretiert in künstlerischer Freiheit die in der Kirche tradierte Identifizierung Jesu mit dem Lamm, das alttestamentlich als Opfertier bekannt ist.“ Und er erinnert an die Worte, die die Katholiken in der Eucharistie hören: „Seht das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt.“
Kreuz hing zuvor in Kapelle
des Krankenhauses Maria Hilf
„Ich weiß, dass dieses Kreuz verstört, verunsichert und polarisiert“, sagt Pfarrer Simonsen. Er hat erlebt, dass durch diese Provokation Menschen ins Gespräch gekommen sind. Denn bevor es in die Citykirche umzog, hatte es in der Kapelle des Krankenhauses Maria Hilf gehangen. „Auch da gab es Diskussionen“, so Simonsen. „Aber selbst die katholischen Schwestern haben sich konstruktiv über das Kunstwerk unterhalten, und es gab keine Aufregung.“ Was derzeit passiert, empfindet er als persönlichen Angriff. „In Hass-Mails werde ich als Schweine-Priester bezeichnet.“ Er hat sich mit den Verantwortlichen des Bistums Aachen beraten. „Wir haben beschlossen, offensiv mit der Sache umzugehen“, sagt Simonsen. Auf die verletzenden Mails reagiert er nicht.
Münsterpropst Peter Blättler stärkt ihm den Rücken. „Es gibt extrem Rechte auch in der katholischen Kirche“, sagt er. „Und die haben auf diese Weise ein Vehikel gefunden, um auf sich aufmerksam zu machen.“ Diese Rechtskonservativen wollten erzwingen, dass das Kunstwerk von Axel Vater aus Simonsens Büro entfernt wird. „Indem sie den Korpus am Kreuz als Schwein bezeichnen, bedienen sie sich bewusst der Falschaussage.“ Glücklicherweise falle die Mehrheit der Gläubigen auf diese „rechte Propaganda“ nicht herein. Simonsen bietet seine christliche Interpretation des Kunstwerks an: „Vor diesem Kreuz fällt es womöglich schwer zu beten; nichts ist verständlicher, da dieses Kreuz doch die potenzierte Gewalt vor Augen führt, derer Menschen fähig sind – also auch wir. Dieses Kreuz fordert uns heraus, uns unserer Scham zu vergewissern – und erst dann, nach der Scham, mag die Dankbarkeit, langsam wie ein Samenkorn, aus unserem Herzen fließen. Erst dann wird unsere Dankbarkeit wahrhaftig sein, dass sie Gott erkennt.“