Prozess: Lebenslang für Schüsse in Rheydt?
Bald wird sich Erol P. (39) vor Gericht verantworten müssen – wegen Mordes und Mordversuchs.
<strong>Mönchengladbach. Die Staatsanwaltschaft strebt für Erol P. die Höchststrafe an: lebenslange Haft, Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung. Der türkischstämmige Niederländer soll Anfang März vor der Haustür an der Frankenstraße in Rheydt seine von ihm getrennt lebende Frau (38) und die älteste Tochter (18) mit gezielten Kopfschüssen aus kurzer Entfernung ermordet haben. Ende September oder Anfang Oktober wird gegen den 39-Jährigen vor der Gladbacher Schwurgerichtskammer der auf mehrere Tage angelegte Prozess eröffnet. P. ist laut Staatsanwaltschaft nicht nur wegen Mordes angeklagt. Sie wirft ihm auch Mordversuch vor. So habe er an dem Vormittag versucht, den 13-jährigen Sohn zu erschießen. Doch die Schüsse verfehlten das verzweifelte Kind. Die jüngste Tochter entging dem Amoklauf des Vaters - sie flüchtete in die Wohnung an der Frankenstraße. Beide Kinder leben seitdem "an einem sicheren Ort". Sie sollen mit Hilfe eines Berufsvormundes ihr Trauma überwinden, so gestern ein Sprecher der Stadtverwaltung. "Verletzter Machtanspruch" - das ist für die Ankläger das Hauptmotiv des 39-Jährigen. Er habe es nicht ertragen können, dass ihn seine Frau verlassen und ihm die Kinder nicht überlassen wollte. Bevor die tödlichen Schüsse fielen, hatte sich das längst auseinander gelebte Ehepaar vor dem Rheydter Familiengericht wiedergesehen. Es ging um das Sorgerecht für die Kinder. Danach, sagen die Ermittler, wollte P. seine Familie auslöschen.
Die Familie hatte wohl ein "Martyrium" hinter sich
Diese hatte, so die Staatsanwaltschaft, ein wahres Martyrium aus Schlägen, Demütigungen und Gewalt hinter sich. Vor allem die 38-Jährige litt unter den Aggressionen ihres Mannes. Als dann auch noch bekannt wurde, dass Erol P. seine Schwägerin vergewaltigt habe, eskalierte die Situation. Der Familienrat kam zusammen und habe P. aufgefordert, sich von der Frau und den Kindern fernzuhalten. Gegen seinen Willen zwang man ihn, zu seinen Eltern nach Nimwegen zu ziehen. In den Niederlanden hatte die Familie P. anfangs gewohnt, ehe sie nach Rheydt zog. Doch der 39-Jährige habe sich nicht an die Vereinbarung gehalten, der Frau und den Kindern immer wieder aufgelauert und sie bedroht. Der Telefon-Terror sei für die 38-Jährige unerträglich gewesen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Nach der Bluttat erhob die Düsseldorfer Anwältin der Ehefrau, Gülsen Celebi, schwere Vorwürfe gegen die Justiz. Der Mord an den beiden Frauen hätte verhindert werden können. "Ich habe den schlimmen Ausgang erwartet", sagte sie. Der Hintergrund: Gegen P. habe ein Haftbefehl wegen Vergewaltigung vorgelegen. Familienrichter bzw. Bedien-stete der Staatsanwaltschaft hätten aber beim Sorgerechtstermin nichts unternommen. So konnte Erol P. unbehelligt das Familiengericht am Fischerturm verlassen und das schreckliche Verbrechen begehen. Selbst die NRW Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) räumte Versäumnisse ein. Doch eine interne Überprüfung durch die Krefelder Staatsanwaltschaft kam zu dem Schluss, dass der gewaltsame Tod der beiden Türkinnen weder für Richter noch für Staatsanwältin vorhersehbar war. Folglich könne es für sie keine strafrechtlichen Konsequenzen geben.Infos zum Fall
Anklage Erol P. soll laut Staatsanwaltschaft Anfang März 2007 seine Frau und die älteste Tochter getötet haben. Desweiteren wird ihm Mordversuch vorgeworfen.
Vorwurf Die Anwältin der Ehefrau hatte nach der Tat schwere Vorwürfe gegen die Justiz erhoben: Das Verbrechen hätte verhindert werden können.