Schonfrist für faule Zahler

Stadtverwaltung: Weil sie ihre Finanzbuchhaltung modernisiert, werden keine Mahnungen verschickt. Es gibt auch keine Zwangsvollstreckungen – vorerst.

Mönchengladbach. Paradiesische Zeiten für schlechte Zahler. Die Gladbacher Stadtverwaltung verschickt derzeit keine Mahnungen mehr, hat sogar die Vollstreckung überfälliger Beiträge eingestellt.

Der Anlass für diese überraschende Zurückhaltung sind gravierende Umstellungen in der Finanzverwaltung. So gibt es künftig eine zentrale Finanzbuchhaltung. Und die wiederum soll alles schneller und effizienter machen. Auch beim Kassieren offenstehender Bußgelder.

Bis das allerdings soweit ist, werden noch Monate vergehen. In der Stadtverwaltung hieß es gestern von kompetenter Stelle: "Das Jahr 2009 wird wohl zu Ende sein, bis wir das alles glatt gezogen haben."

Gleich mehrere Oppositionspolitiker üben Kritik. Es könne und dürfe nicht sein, dass die Kommune mit einem Schuldenberg von rund 1,2 Milliarden Euro die Einnahmeseite so "gravierend vernachlässigt".

Wie ruinös die Stadtfinanzen immer noch sind, verdeutlicht allein diese Zahl: Mit 733 Millionen Euro Dispokredit stand die Kommune gestern bei Stadtsparkasse und Banken in der Kreide. Maximal darf sie ihre Konten bis zu 775 Millionen Euro überziehen.

Das hat die Politik dem Stadtfinanzchef Bernd Kuckels (FDP) erlaubt. Der möchte den Dispo eigentlich nicht voll ausschöpfen, muss es aber wohl tun. Schließlich bricht auch die Haupteinnahme-Quelle Gewerbesteuer ein. Um Millionenbeträge.

Bei der Schonfrist für säumige Zahler soll es sich nicht um Millionen-Summen handeln. Eine konkrete Zahl nennt aber auch ein Stadtsprecher auf Anfrage der WZ nicht.

Angeblich soll es kein flächendeckendes Aussetzen von Mahnungen/Vollstreckungen in der Stadtkasse geben. Vielmehr handele es sich um "Teilbereiche". Die allerdings seien vom Ausmaß her nicht unbedeutend.

Dass ab dem Tage X zentral kassiert und gezahlt wird, hat mit den drei Buchstaben NKF zu tun. NKF steht für Neues kommunales Finanzmanagement. Darunter versteht man, dass es in einer Kommune wie Gladbach quasi betriebswirtschaftlich zugeht.

Wie in einer Firma, wo man - ist sie gut geführt - sehr schnell erkennen kann, wohin das Geld fließt und wo es her- kommt.

Mit dem neuen NKF-System werde es auch neue Kassenzeichen geben, heißt es in der Stadtverwaltung. Überweist jetzt jemand einen Betrag mit einem alten Zeichen, löst das bei den städtischen Buchhaltern nicht selten Verwirrung aus.

Das Geld landet dann im Topf "ungeklärte Zahlungseingänge". Mitarbeiter prüfen von Hand und damit zeitaufwändig, wofür der Kunde Bürger ein Überweisungsformular auf die Reise geschickt hat.

Mit NKF, seit Anfang 2009 eingeführt, hat Kuckels aber auch feststellen lassen, dass Gladbach über drei Milliarden Euro wert ist.

An Grundstücken, Gebäuden, Gemälden. Sollte Gladbach Schuldenstadt bleiben, ist das Milliardenvermögen spätestens 2020 aufgebraucht, so die Prognose. Insider befürchten, dass schon früher nichts mehr da ist. Neue Eigner wären die Banken.