Schorch-Mitarbeiter haben die Faxen dicke

Mehrarbeit, Kurzarbeit, Kündigungen — viel hat die Belegschaft akzeptiert. Doch damit ist jetzt Schluss, kündigten sie kämpferisch an.

Sie haben die Faxen dicke. Sie haben Mehrarbeit akzeptiert, Kurzarbeit, sie haben jeder 100 Stunden abgetreten. In Summe, rechnet Betriebsratsvorsitzender Dieter Mischke vor, haben sie in den letzten drei Jahren auf 20 Millionen Euro verzichtet. Sie haben hingenommen, dass im Sommer 2015 wieder einmal 115 von ihnen gekündigt wurde. Sie konnten auch kaum darüber hinwegsehen, dass in einem schleichenden Prozess immer mehr Teilbereiche outgesourct wurden, während für sie selbst gleichzeitig weniger Arbeit übrig blieb. Sie haben, in Form des Betriebsrats und teils mithilfe von Beratungsinstituten, sogar selbst Konzepte vorgelegt, wie man die Beschäftigung steigern und die Kosten senken kann, erhielten aber keine Reaktion. Wie sie überhaupt nie Antworten auf die dringlichste Frage erhielten: wohin das am Ende eigentlich alles führen soll beim Motorenhersteller Schorch.

Foto: Reichartz

Gestern nun entlädt sich die aufgestaute Wut. Nicht zuletzt als Reaktion auf die Berichterstattung über eine angedachte Verlagerung der Produktion von Mönchengladbach nach China versammeln sich viele der nur noch 350 Schorch-Mitarbeiter um 13 Uhr am Werkstor, um die Geschäftsführung zur Rede zu stellen — und um darauf zu pochen, endlich Antworten zu bekommen.

Die indes bleibt Geschäftsführer Michael Grüner schuldig. Es gebe ein „Kostenproblem in unserem Betrieb, und es wird weitere Schritte geben müssen“, sagt Grüner lediglich nebulös. Doch dieses „Gesamtkonzept“ könne er leider heute nicht vorstellen, dazu fehle die „Genehmigung der Eigentümer“. Die sitzen im fernen China; der Wolong-Gruppe gehört der österreichische Schorch-Mutterkonzern ATB. „Der ist doch nur eine Marionette“, murmelt ein frustrierter Mitarbeiter.

Am Samstag wird bei ATB in Wien getagt, anschließend werde man sich äußern, sagt Grüner. „Hinterher ist zu spät, Sie haben den Betriebsrat in die Planungen einzubinden!“, erwidert Mischke durch das Megafon. Immer wieder werden Fragen gerufen: „Garantieren Sie uns, dass wir am 31. Dezember 2017 noch in dieser Mannschaftsstärke hier stehen?“, fragt ein Mitarbeiter. „Ich kann solche Garantien hier nicht abgeben“, entgegnet Grüner. Es wird ausgewichen, herumgedruckst — oder geschwiegen. Es sei doch vorerst lediglich die Produktion eines einzigen von jährlich 1000 Motoren probeweise nach China verlagert worden, sagt Grüner. Man wolle dort „in Zukunft nach demselben Prinzip Maschinen für den chinesischen Markt bauen“.

Ein Mitarbeiter

Das, hält Mischke entgegen, sei „glatt gelogen“. Der unausgesprochene Gedanke lautet vielmehr: Die wollen doch nur den Namen Schorch und die Siegel „Made...“ oder „Engineered in Germany“ beibehalten, aber künftig in Fernost produzieren. „Wir haben hier Kurzarbeit, sie vergeben unsere Arbeit nach China — und wir dürfen noch hinterher fahren und den Leuten dort alles zeigen?!“, schimpft einer. „Was, wenn die Chinesen das bald selber können?“ Die Antwort ist offenkundig.

„Das Sterben ist absehbar“, sagt Mischke. Wenn es denn wirklich ans Herzstück gehe: das Outsourcing der Hochspannungswicklung, nachdem bereits die Niederspannungswicklung nach Wuhan in China bzw. Subotica in Serbien abgegeben wurde. Traurige Blaupause sei das ATB-Schwesterwerk im schwäbischen Welzheim: Dort war die Verlagerung der Produktion nach China bereits offen angekündigt worden. Paradox: Die Eigentümer pumpten permanent Geld ins Unternehmen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, während gleichzeitig der Auftragseingang „künstlich niedrig gehalten“ werde, wie es einer ausdrückt. „Wir sind kampfbereit“, kündigt Mischke an. Und kündigt zugleich Mehrarbeit und Kurzarbeit auf. Und fordert dann noch etwas ein: die Einhaltung der tariflichen Arbeitszeiten, die Rückgabe der 100 Stunden. Und Antworten. Endlich.