Seminar: Im Cockpit die Flugangst abbauen
Viele Menschen leiden unter Flugangst. Am Flughafen Gladbach kann man diesen Stress bekämpfen.
Mönchengladbach. Der Puls geht schneller. Die Handflächen werden nass. Dafür der Mund immer trockener. Christian S. hat Angst. Dabei sieht er das, was ihm die Schweißperlen auf die Stirn treibt, nur aus der Ferne: ein Flugzeug. Für seine Freundin hat es der 39-jährige Mönchengladbacher vor Jahren noch einmal mit dem Fliegen versucht. Es war das letzte Mal. Der Hinflug in die Ferien war Stress pur und der Urlaub nur von einem Gedanken geprägt: den Rückflug.
Nach Erkenntnissen des Allensbach-Instituts leiden 16 Prozent der Deutschen unter starker Angst beim Fliegen. 22 Prozent fühlen sich in einem Flugzeug zumindest unwohl. Statistisch gar nicht erst erfasst sind diejenigen, die wie Christian S. nie in ein Flugzeug einsteigen würden.
Egal, ob die von "Aviophobie" Betroffenen noch nie in einem Flugzeug saßen, ob sie eine schlechte Erfahrung in einem Flieger gemacht oder offenbar grundlos und unerwartet Flugangst entwickelt haben, spezielle Seminare, oft angeboten von Airlines, bieten Hilfe.
Zum ersten Mal wird die RWL German Flight Academy am Mönchengladbacher Flughafen ab September alle zwei Monate solche Flugangst-Seminare anbieten. Es wird eine Mischung aus technischer Einführung mit Praxisteil und psychologischer Betreuung sein. "Praktisch können die Teilnehmer einen Flug entweder in einem Voll-Flug-Simulator mit einer Boeing-737-Simulation erleben oder wirklich in ein Flugzeug steigen", sagt Jens Küper, Prokurist der Flugschule.
Im Simulator werden Start, verschiedene Fluglagen und Landung nachgestellt. "Turbulenzen oder so etwas werden wir, weil die Teilnehmer genau vor so etwas große Angst haben, nicht beziehungsweise nur auf Wunsch simulieren", sagt Küper. "Es geht um das Darstellen des ganz normalen Reiseverkehrs, um die Geräusche von Landeklappen oder Fahrwerk, die damit verbunden sind, und Bewegungen, die beim Fliegen dann wiedererkannt und als harmlos eingestuft werden können."
Die richtigen Flieger werden viersitzige, einmotorige Maschinen sein: Typ Cessna. "Diese kleinen Maschinen bedeuten für die Teilnehmer zwar, dass sie mehr als in einem großen Flugzeug die Thermik spüren und Bewegungen erleben", sagt Küper. "Der Vorteil ist, dass sie auch hautnah neben dem Piloten sitzen, ihn jederzeit fragen können, was gerade passiert und warum."
Die Technik ist das eine. Die Gefühle der Betroffenen das andere. Die psychologische Seite des Seminars wird die Meerbuscher Heilpraktikerin für Psychotherapie Birgit Friedrich (47) übernehmen. Friedrich ist außerdem seit 20 Jahren Stewardess und kennt die zittrige Seite von Fluggästen aus der beruflichen Praxis.
Die Beschwerden der Betroffenen reichen von Unbehagen über ängstliche Anspannung bis zur Panik. "Häufige Symptome sind zum Beispiel Schweißausbrüche, schnelle Atmung, Herzrasen oder Zittern", berichtet Birgit Friedrich. Bei Studien nannten rund zwei Fünftel der Betroffenen als Grund die Angst vor dem Kontrollverlust, ebenfalls zwei Fünftel Angst vor einem möglichen Flugzeugabsturz und rund ein Drittel Angst vor der Höhe.
"In den meisten Fällen haben die Betroffenen nie eine gefährliche Flugsituation erlebt. Meist basiert die Angst auf einer Fehlinterpretation. So ist zum Beispiel Durchstarten für uns Flieger etwas, was häufig passiert und gar nichts Besonderes ist", erzählt Friedrich aus ihrem Berufsalltag. Viele Passagiere hingegen schlössen aber mit ihrem Leben ab, weil sie solche Situationen für gefährlich halten. Die Fehlinterpretation setze sich fest. "Viele Patienten sagen, wenn sie in einer solchen - vermeintlich gefährlichen - Situation sehen könnten, dass der Pilot ganz gelassen reagiere, dann würde ihnen das schon helfen." Und genau das ist beim Flugangst-Seminar möglich: dem Piloten auf die Hände sehen.
Friedrich behandelt gerade Patienten wegen Flugangst, die in der Vorbereitungsphase für die neuen Seminare schon einmal den praktischen Teil erleben konnten. Ein Mann, der seine Flugangst "ohne plausiblen konkreten Grund" sozusagen über Nacht entwickelte, flog fünf Minuten "Platzrunde". Dann wollte er lieber wieder landen - mit feuchten Händen, rasendem Herzen und viel zu schnellem Atem.
Eine Mittvierzigerin, die ein Haus im Ausland hat und jahrelang vier- bis fünfmal im Jahr ohne Problem flog, hat nach, wie sie es empfand, "schlechten Erfahrungen" bei einem Flug Probleme mit diesem Fortbewegungsmittel und saß jetzt zum ersten Mal wieder in einer Maschine und rollte über den Flugplatz. "Auch sie schwitzte, zitterte und hatte Herzklopfen", berichtet Friedrich.
Aber beide Patienten wollen es demnächst wieder versuchen.