Vorsorge: Eltern unter Druck
Untersuchungen: Für die Kinder sind sie wichtig, die Kassen zahlen, die Eltern müssen nur hingehen. Jetzt wird kontrolliert, ob sie das auch tun. Zur Not gibt es Besuch vom Jugendamt.
Mönchengladbach. Vergessen ist menschlich. "Wenn man für eine Vorsorgeuntersuchung den Termin drei bis vier Monate im Voraus machen muss, kann das schon mal passieren," sagtKinderarzt Jörg Hornivius verständnisvoll. Deshalb erinnern seine Mitarbeiterinnen die Eltern am Vortag daran.
Andere Eltern vergessen die Vorsorge-Untersuchungen an sich oder halten sie nicht für so wichtig. Sie bekommen jetzt Post vom Land Nordrhein-Westfalen. Das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit (Liga) weist sie in einem Schreiben auf die Fälligkeit der Untersuchungen hin.
Wenn das - und auch eine zweite Aufforderung - nicht hilft, bekommen die Eltern Besuch vom Jugendamt. Denn auch ihre Kinder sollen die gleichen Chancen auf eine individuelle Förderung bekommen wie die anderen. Und nicht später unter Entwicklungsverzögerungen leiden, die man bei kleinen Kindern locker hätte aufholen können.
Das städtische Jugendamt geht davon aus, dass es jährlich rund 1500-mal ausrücken muss, um die Eltern persönlich "auf die Wichtigkeit der Untersuchungen aufzuklären", wie es in einem Pressetext der Stadt heißt.
Dabei kann der Fachmann verzögerte oder Fehlentwicklungen entdecken. "Wenn ein Fünfjähriger zehn Minuten braucht, um acht Klötze aufeinander zu setzen, dann ist etwas nicht in Ordnung", nennt Hornivius ein Beispiel, in dem eine Therapie gestartet werden soll, um dem Kind eine gesunde Entwicklung in ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
"Insofern kommen auch alle Eltern, denen ihre Kinder wichtig sind", sagt Hornivius. Eine halbe Stunde nimmt er sich für so eine Untersuchung Zeit.
Jedes Kind, das an so einer Untersuchung teilnimmt, wird von der Kinderarzt-Praxis an Liga gemeldet. "Wir drucken jeweils ein Formular aus, ähnlich einem Rezept", sagt Hornivius, "die werden einmal pro Woche dorthin geschickt." Liga gleicht die Meldungen der Kinderärzte "unter Einhaltung der Datenschutzbestimmungen" mit denen der Einwohnermeldeämter ab und schreibt die Eltern der Kinder an, die nicht da waren.
Es geht um die Untersuchungen U5 bis U9, die die Kinder im Alter von einem halben bis zu fünf Jahren durchlaufen sollen. "Da kommen die Kinder eigentlich gern zum Arzt", sagt Hornivius. Denn bei den Untersuchungen ohne Impfungen und Piks kann das Kind Vertrauen zu den Medizinern aufbauen. "Die sind immer total begeistert", sagt Hornivius. Es geht auch darum, gegenzusteuern, wenn Eltern ihre Kinder vernachlässigen oder misshandeln.