Warum eine Linde in Neuwerk die Gemüter erhitzt
Solange der Baum ein Naturdenkmal war, kümmerte sich die Stadt um ihn. Doch nach einem Pilzbefall wurde der Schutz aufgehoben — und die Verantwortung auf die Grundstücksbesitzer abgewälzt.
Selten, schön, für das Stadtbild prägen — wegen dieser Eigenschaften wurde die Silberlinde Am Lauterkamp in Neuwerk vor neun Jahren zum Naturdenkmal erklärt. Fortan kümmerte sich die Stadt um den schützenswerten gesunden Baum, der auf dem Gelände eines privaten Garagenhofs steht. Doch dann kam der gemeine Lackporling. Dieser Pilz befiel das Laubholz so nachhaltig, dass ein Gutachter befand: Der Baum muss umgehend gesichert werden. Plötzlich war die Stadt nicht mehr zuständig. Einige Eigentümer der insgesamt 15 Garagen erhielten Ende Dezember 2014 einen Brief, dass die Silberlinde „wegen der fortgeschrittenen Schädigung“ mit sofortiger Wirkung als nicht schützenswert anzusehen sei. Die Besitzer der Garagen seien nun für die Linde zuständig.
Alleine das ist schon ein Ärgernis für die betroffenen Bürger. Es kommt aber noch ein Problem hinzu: Einige der insgesamt elf Eigentümer wissen noch gar nichts von ihrem „Glück“. Denn sie haben nie einen Brief von der Stadt erhalten. Die Garagenbesitzer, die das Schreiben bekamen, versuchen seit zwei Jahren herauszufinden, was sie machen müssen. „Ich habe zuerst ständig bei der Stadt angerufen, dann bei der jetzt zuständigen Mags“, berichtet einer der Eigentümer. Die letzte Auskunft habe gelautet, man könne sich nur um das Problem kümmern, wenn alle Garagenbesitzer eine schriftliche Einverständniserklärung abgeben. „Aber wie soll man daran kommen, wenn nicht alle den Brief bekommen haben und man nicht jeden einzelnen Garagenbesitzer kennt?“, fragt ein Eigentümer.
Ursprünglich gehörte das Land der Stadt. Die baute damals die Garagen und verkaufte sie einzeln. Seitdem gab es Besitzer- und Mieterwechsel. „Ich habe über einen Grundbuchauszug versucht, an alle Namen und Adressen zu kommen. Aber die Stadt hat bei den Grundbucheintragungen offenbar gemurkst“, sagt der Betroffene. „Aus dem Auszug gehe nicht hervor, wer im Einzelnen die Garage besitzt. Eine Anfrage beim Steueramt verlief auch ins Leere: keine Auskunft wegen Datenschutz. „Was machen wir, wenn etwas passiert? Was tun, wenn ein Ast bricht und einem Menschen auf dem Kopf fällt?“, fragen sich die Besitzer — also natürlich die, die davon unterrichtet wurden, dass sie plötzlich für einen maroden Baum zuständig sind.
Wie ein Stadtsprecher mitteilte, ist es tatsächlich so, dass die Verantwortung eines Baumes wieder auf den Grundstücksbesitzer übergeht, sobald der Denkmalschutz aufgehoben wird, Die Mags hat einem Garageneigentümer mittlerweile versichert, dass sie den Eigentümern eine Fällgenehmigung für den Baum erteilen werde. Bleibt der Haken, dass dies nur möglich ist, wenn alle Garagenbesitzer ihr Einverständnis erklären.
Gestern kam dann auch die Zusicherung der Stadt, dass sie die Eigentümer umgehend informieren wolle. Die Kosten für die Fällung des Baumes, der während der Hege durch die Stadt vom Pilz befallen wurde, müssen wohl die Grundstückseigentümer zahlen.