Freizeit und Tourismus in Neuss Die Unterwelt in Neuss erleben

Neuss · Mit einer kulinarisch-historischen Führung begann die zweiwöchige Aktion des Verkehrsvereins „Neuss is(s)t gut“. Besucht wurden drei alte Gewölbekeller: Kulturkeller, Haus Rottels und die Hausbrauerei Im Dom.

Stadtführer Hajo Heinrich erzählt bei der kulinarisch-historischen Führung durch alte Gewölbekeller viele Geschichten aus vergangenen Zeiten, hier der Kulturkeller an der Oberstraße, vorne angeschnitten der historische Brunnen.

Foto: Heribert Brinkmann

In den Untergrund führte die kulinarisch-historische Stadtführung. Marion Tiefenbacher-Kalus und Hajo Heinrich eröffneten mit ihrer gemeinsamen Führung in drei historische Keller die zweiwöchige Aktion „Neuss is(s)t gut!“ Mit 25 Teilnehmern war der Termin früh ausgebucht und die bisher größte von „Neuss Marketing“. Besucht wurden die historischen Gewölbekeller Kulturkeller, im Haus Rottels und in der Hausbrauerei Im Dom. Hinter dem Titel „Keller, Kloster, Küche“ verbarg sich auch die Frage nach Geheimgängen.

Die erste Adresse war die bekannteste: der Kulturkeller im Hause des Kulturamtes der Stadt an der Oberstraße 17. Dort hat Postmeister Peter Joseph Nepes 1787 ein stattliches Haus gebaut – mit Rundbogenkeller, gleich neben dem gelben ehemaligen Postgebäude von Thurn und Taxis, in dem sich heute das Stadtarchiv befindet. Vom Nepes-Haus blieben bei der Sanierung in den 1970er Jahren nur die Fassaden und der Gewölbekeller erhalten. Hajo Heinrich, pensionierter Lehrer am Marie-Curie-Gymnasium, erklärte, wie alt der Keller sei, wisse man nicht genau. Dass er erhalten blieb, ist dem Neusser Architekten Otto Saarbourg zu verdanken. Das Besondere an diesem Keller kennen alle Besucher des Kulturkellers. Es ist ein Brunnen, geschätzt etwa zehn Meter tief. Solche Brunnen gab es im Mittelalter etliche in Neusser Kellern. Sie ermöglichten bei der Belagerung der Stadt 1474 durch Karl den Kühnen den langen Widerstand der Neusser, denn so konnten sie sich immer mit Wasser versorgen. Im Kulturkeller gibt es mehrere zugemauerte Durchgänge. Sie dienten bei den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg als Fluchtweg.

Wo heute das Haus Rottels steht, befand sich zwischen Rottelsgasse und Am Jesuitenhof das Minoritenkloster. Franz von Assisi hatte den Bettelorden 1210 gegründet, 1234 kamen die Franziskaner nach Neuss und bauten auf 4000 Quadratmetern ihr Kloster samt Kapelle und Garten. Auf dem Gelände wurden die verstorbenen Mönche auch begraben. So fand man bei der Renovierung von Haus Rottels eine Menge an Gebeinen. Die Grabkammer ist heute wieder zugemauert. Der Keller diente immer schon der Lagerung von Lebensmitteln. Damals hat Max Tauch vom Clemens-Sels-Museum zur Anschauung einige Fässer und Tongefäße in den Keller gebracht. Welche Geschichte der auch Nasenschild genannte Gaststätten-Ausleger mit dem Schlüssel hat, ist leider nicht überliefert. 1616 übernahmen die Jesuiten das Klostergelände. Unter Napoleon wurden die Klöster verkauft. Ende des 18. Jahrhunderts baute die Fabrikantenfamilie Rottels dort ein klassizistisches Gebäude, das heute das Schützenmuseum beherbergt. Die Familie Rottels war mit einer Siederei für Talglichter reich geworden. Das stark heruntergekommene Gebäude wurde 1987 von der Jubiläumsstiftung der Sparkasse Neuss übernommen und für das Museum renoviert. Der Neusser Architekt Rudolf Küppers plante damals den Umbau.

Zum Schluss ging es von der Oberstraße durch die Rottelsgasse und die Mühlenstraße zur Hausbrauerei Im Dom an der Michaelstraße 75-77. Nach Bolten (1266) in Korschenbroich ist dort die älteste Altbierbrauerei (1601) zu finden. Sie ist im zweistöckigen Keller untergebracht. Um in den modernen Gärkeller zu kommen, musste die große Gruppe in zwei aufgeteilt werden. Bei nur 5 Grad im Keller trieb es die meisten aber schnell wieder nach oben, wo die Führung bei einem Glas Alt und Schnittchen gemütlich ausklang. Hajo Heinrich erzählte dort auch vom mittelalterlichen Dollbier. Damals war es bis ins 17. Jahrhundert üblich, dem Bier den Samen des Bilsenkrautes beizufügen. Es hat eine narkotische bis halluzinogene Wirkung. Erst später wurde auf Hopfen und Malz zurückgegriffen. Innerhalb des Programms „Neuss is(s)t gut“ wird am Donnerstag, 17. Oktober, um 18 Uhr eine eigene Brauereiführung „Im Dom“ angeboten (Anmeldung dort). Und elf Neusser Gaststätten und Restaurants bieten auf Initiative des Verkehrsvereins der Stadt Neuss bis zum 27. Oktober vergünstigte Aktions-Speisen oder Menüs an (www.neuss-ist-gut.de).