Benjamin Limbach Die zwei Scherbenhaufen des Justizministers
DÜSSELDORF · Opposition im NRW-Landtag fordert den Rücktritt von Benjamin Limbach (Grüne) und setzt ihn mit einer Sondersitzung unter Druck.
Seine Mutter war eine der prominentesten und anerkanntesten Juristinnen in Deutschland: Jutta Limbach, die frühere Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts. Vorher war sie mal Justizministerin gewesen, Justizsenatorin heißt das in Berlin. Mit SPD-Parteibuch. Sohn Benjamin ist Grünen-Mitglied und Justizminister in NRW. Aber nicht mehr lange, wenn es nach der Landtagsopposition von SPD und FDP geht. Die fordert nicht nur eine erneute Sondersitzung des Landtags-Rechtsausschusses, sondern sogar seinen Rücktritt.
Üblicherweise gerät ein Landesjustizminister in Krisenlagen, wenn etwas im Justizvollzug schief läuft, wenn es Gefängnisausbrüche gibt, Suizide in Haftzellen, oder wenn die Justiz an anderer Stelle nicht gut funktioniert. Dinge, für die der Minister dann geradestehen muss. Bei Benjamin Limbach ist das anders. Der Grüne wird für eigene Aktivitäten in die politische Haftung genommen. Gerade erst hatte er eine zweifelhafte Organisationsmaßnahme in Sachen Cum-Ex-Strafverfolgung zurückgenommen. Und nun, nahezu zeitgleich, fällt ihm ein schon länger zurückliegendes Handeln auf die Füße – er soll sich rechtswidrig in die Besetzung des höchsten Verwaltungsrichterpostens eingemischt haben.
Cum Ex: Limbach hatte die für die Strafverfolgung im milliardenschweren Cum-Ex-Steuerskandal zuständige Kölner Staatsanwaltschaft umorganisieren wollen. Bei den Ermittlern sind 120 Cum-Ex-Ermittlungsverfahren gegen 1700 Beschuldigte anhängig. Durch den Cum-Ex-Betrug wurde der deutsche Staat schätzungsweise um einen zweistelligen Milliardenbetrag geprellt. Limbach wollte die Staatsanwaltschaft organisatorisch umstrukturieren, wogegen insbesondere die Bürgerbewegung Finanzwende Alarm schlug. Die erfolgreiche Arbeit der Ermittler werde ausgebremst. Auch Limbachs Vorgänger Peter Biesenbach (CDU) warf sich in die Schlacht. Die derzeitige sehr erfolgreiche Hauptabteilungsleiterin Brorhilker würde ohne Not entmachtet, sollte ein zweiter Hauptabteilungsleiter neben ihr eingesetzt werden und sie ihre halbe Mannschaft verlieren.
Welches Interesse Limbach daran haben sollte, die Justiz in dieser wichtigen Angelegenheit zu schwächen, das konnte freilich keiner der Kritiker darlegen. Limbach jedenfalls unternahm einen in der Politik seltenen Schritt. Er lenkte ein, nahm die geplante Umorganisation zurück und bekam von der SPD für diese Flexibilität das weitestgehende Lob, das eine Opposition geben kann: „Besser spät als nie“, hieß es.
Richterposten: Doch der Scherbenhaufen, den der Vorfall hinterlassen hatte, war noch nicht aufgekehrt, da ging weiteres Porzellan zu Bruch. Am Oberverwaltungsgericht Münster, dem höchsten NRW-Verwaltungsgericht, ist seit 2021 die Präsidentenstelle unbesetzt. Es gibt diverse Bewerber. Doch Limbach setzte sich in seiner Funktion als Justizminister für eine Bewerberin aus dem Innenministerium besonders ein, gab zu ihren Gunsten eine sogenannte „Überbeurteilung“ ab. Das ging so nicht, urteilte zunächst das Verwaltungsgericht Münster und danach das Verwaltungsgericht Düsseldorf. In Verfahren, die von Bewerberkonkurrenten auf die höchste Richterstelle angestrebt worden waren. Das Münsteraner Gericht sprach gar von einer „manipulativen Verfahrensgestaltung“ zu Gunsten der von Limbach favorisierten Bewerberin. Keine schöne Perspektive auf einen Justizminister, der ja für Gesetz und Recht steht. Und nun im Kreuzfeuer der Kritik. Nach der ersten Gerichtsentscheidung hatte SPD-Fraktionsvize Elisabeth-Müller-Witt bereits gesagt: „Das Fass ist übergelaufen, und die Autorität des Ministers massiv beschädigt. Um weiteren Schaden von der Justiz abzuwenden, muss Herr Limbach seinen Hut nehmen“. Zwingen können die Oppositionsparteien ihn nicht. Wohl aber erneut „grillen“ - in der nun schon zweiten Sondersitzung des Landtags-Rechtsausschusses kommende Woche.