Renovierung in Derendorf Wie in einer Düsseldorfer Orgelmisere ausgerechnet Pfeifen aus Köln helfen
Düsseldorf · In der Pfarrkirche Heilige Dreifaltigkeit in Derendorf ist die Orgel in einem verrotteten Zustand. Lohnt sich eine Restaurierung? Der Sachverständige des Erzbistums hatte eine famose Idee.
Und wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Wenn es als Anruf aus Köln kommt, müssen Düsseldorfer natürlich vorsichtig sein. Aber der Anruf spendete tatsächlich eine Erleuchtung – und noch in diesem Jahr wird sie sogar hörbar sein. Das alles ist eine lange, aber faszinierende Geschichte.
In der katholischen Kirche Heilige Dreifaltigkeit an der Jülicher Straße in Derendorf – wichtiges Gotteshaus, große Bedeutung – steht eine ziemlich schwachbrüstige Orgel aus den späten 50er-Jahren. Drei Manuale, 40 Register, darin viel Elektrik. Gebaut hat sie die Orgelbaufirma Romanus Seifert aus Kevelaer. Für damalige Verhältnisse einer Nachkriegsgemeinde eine akzeptable Orgel, die klanglich allerdings deutlich zu klein ist, um den Kirchenraum zu füllen. Wer ihn betritt, wundert sich über die Aufstellung: auf beiden Emporen in den Querschiffen gegenüber. Sozusagen eine zweiteilige Chororgel. Das ergibt mitunter einen hübschen Stereoeffekt. In Wahrheit verschwimmt der Klang, zumal die Pfeifen des Pedalwerks auf beide Emporen verteilt sind. Sagen wir’s, wie es ist: Klanglich muss man die Situation in Dreifaltigkeit völlig unbefriedigend nennen.
Eine Renovierung der Kirchendecke brachte in den 70er-Jahren viel Staub und Schutt mit sich, der noch heute in den Pfeifen zu finden ist; die Orgel wurde damals nicht ausgebaut, nicht einmal abgedeckt. Über die Zeit korrodierten elektrische Anschlüsse, die mehrfach geflickten Windbälge gaben ihren Geist auf, Teile der Spielmechanik waren ausgeschlagen. Für Kantor Hanjo Robrecht ist das Spiel dort immer wieder ein Vabanque-Akt: Was funktioniert, was funktioniert nicht? So konnte es auf Dauer nicht weitergehen. Eine Restaurierung war in jedem Fall unumgänglich, aber würde sie sich überhaupt lohnen? Will man Geld in ein klanglich und technisch überholtes und noch dazu akustisch schlappes Instrument investieren? Der Neubau einer größeren Orgel aber würde etwa 2,5 Millionen Euro kosten, das lässt sich nicht umsetzen.
In dieser Situation bekam Robrecht einen Anruf von Eckhard Isenberg. Der ist seit 2005 Orgelsachverständiger des Erzbistums Köln und machte Robrecht darauf aufmerksam, dass in Köln eine Orgel zu verkaufen sei: diejenige in St. Paul in der Südstadt. Da wurde Robrecht hellhörig.
Diese Kölner Orgel hatte nämlich eine Geschichte: Sie stand früher in St. Aposteln in der Innenstadt, ebenfalls von Romanus Seifert gebaut, 63 Register groß, vier Manuale, sogar der berühmte Gaston Litaize hatte dort gespielt. Als St. Aposteln eine neue Orgel baute, ging die alte nach St. Paul. Dort wird sie aber jetzt nicht mehr gebraucht, weil die verbliebenen Katholiken eher nach St. Severin gehen. Einmal in der Woche gibt es in St. Paul einen Gottesdienst in einer Seitenkapelle, dafür braucht die Gemeinde keine große Orgel mehr. Ansonsten feiern dort die Katholiken anderer Nationalitäten ihre Gottesdienste.
Isenberg und Robrecht zählten eins und eins sowie drei plus vier zusammen: Wie wäre es, wenn man in Derendorf die Orgel von St. Aposteln/St. Paul hinzubekäme und in die bestehende Orgel integriert? Dann hätte man auf der Orgelempore sämtliche Elemente aus Köln, dazu die beiden umgebauten bisherigen Werke auf den Seitenemporen – das ergäbe einen famosen Surround-Effekt, geradezu dreifaltig im Klang, der von einem Zentralspieltisch gesteuert würde. Diese Vermählung zweier Orgeln wäre auch deshalb sinnvoll, weil beide aus der gleichen Zeit stammen, von derselben Firma erstellt wurden und einander stilistisch ähneln. Kostenpunkt für Restaurierung und Erweiterung: 530.000 Euro. Die Düsseldorfer Gemeinde schlug ein. Mit den Arbeiten wurde natürlich Seifert betraut. Isenberg zum Autor: „Diese Orgel in St. Paul ist ein wunderbares Instrument. Dass sie erhalten bleibt und in Düsseldorf weiterhin erklingt, ist ein Glücksfall. Dort kann etwas ganz Besonderes entstehen.“
Die Westempore ist keine durchgehende Orgelempore
Nun passiert orgelbaulich und architektonisch in Düsseldorf Spannendes. Die Westempore besteht nämlich aus drei Nischen, es ist also keine durchgehende Orgelempore. Die Pfeifen aus Köln werden nun auf diese drei Nischen umverteilt, sogar mit zwei Schwellwerken. Dabei werden die hochwertigen, bis zu 350 Kilogramm schweren, alten Windladen aus Mahagoniholz wiederverwendet, die alle Pfeifen mit Luft versorgen. Das heißt in der Summe: In Köln wurden 4932 Pfeifen abgebaut, in Kevelaer gereinigt und überarbeitet, sie werden die bereits vorhandenen knapp 3000 Düsseldorfer Pfeifen ergänzen. Und von einem neuen Generalspieltisch werden alle Teile der Orgel zentral angesteuert.
Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt bei dem Düsseldorfer-Kölner Fusionsprojekt eine wichtige Rolle. Anstelle eines Neubaus werden nämlich nur gebrauchte, überarbeitete Werkstoffe verwendet. Die Positionen der alten Orgelwerke auf den beiden Querschiffemporen bleiben erhalten, ergänzt durch die Erweiterung auf der Westempore mit den drei Nischen über dem Haupteingang.
Die in den beiden Orgeln verbaute Elektrik von vor über 60 Jahren entspricht nicht mehr den heutigen Vorschriften und Sicherheitsstandards. Zudem müssen alle elektrischen und beweglichen Bauteile der Orgeln ersetzt werden. Jedenfalls hat Nachhaltigkeit auch einen finanziellen Vorteil. Mit über 100 Registern entsteht aus „zwei alten Damen“ eine neue Königin der Instrumente in Düsseldorf. Die Arbeiten sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.
Bisher spielte Heilige Dreifaltigkeit auf der kirchenmusikalischen Landkarte Düsseldorfs keine Rolle. Das wird sich ändern. Fraglos gibt es Gegenstimmen, 530 000 Euro sind eine Summe Geld. Andererseits ist Heilige Dreifaltigkeit die Zentralkirche der Gemeinde, der noch Herz Jesu, St. Adolfus, St. Rochus, Heilig Geist und St. Lukas angehören. Das gottesdienstliche Leben dürfte durch eine neue Orgel sehr bereichert werden. Und die Erfahrung lehrt, dass Spenden für eine Orgel nie andere seelsorgliche Projekte beschneiden. Für eine Orgel gibt man immer „on top“.