Von Tariflöhnen bis Pflegezuschuss Regierungsplan für Pflegereform ist längst überfällig

Meinung · Der Berufsstand fährt schon lange auf Verschleiß, die Pandemie hat die Defizite wie ein Brennglas aufgezeigt. Nur passiert ist bisher wenig. Die Reformpläne sind ein Anfang.

Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn/Mascha Brichta

Die Unterhaltungskünstler Joko und Klaas kassierten kürzlich mit ihrer Echtzeit-Doku, in der sie sieben Stunden lang den Pflegenotstand in Deutschland schilderten, viel Lob. Nur ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig es ist, endlich den Blick zu schärfen, offen zu legen, was in den vergangenen Jahren in der Pflege falsch gelaufen ist.

Der Berufsstand fährt schon lange auf Verschleiß, die Pandemie hat die Defizite wie ein Brennglas aufgezeigt. „Es ist gut, dass die Pflege jetzt in der Prime Time läuft“, kommentierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die TV-Doku. Sicher, an Besorgnis um die schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege hat es nie gemangelt. Nur passiert ist wenig.

Schon 2018 hatten sich Union und SPD darauf geeinigt, dass es in der Altenpflege flächendeckend Tarifverträge geben soll. Erst mit der Pandemie und im Wahljahr stieg der Druck, endlich Verbesserungen zu erreichen. Nun will die Groko das Thema in letzter Minute vor der Wahl abräumen. Der überfällige Entwurf zur Pflegereform steht. Die Kernpunkte sind verpflichtende Tariflöhne in Pflegeeinrichtungen und ein staatlicher Pflegezuschuss für Heimbewohner.

Das ist bemerkenswert und der richtige Schritt zur Anerkennung der enormen Leistung der Pflegekräfte.Die Pläne für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag in der Altenpflege waren im Februar geplatzt. Grund war das Nein der Caritas, die durch eine Tarifbindung Nachteile für die von der katholischen Kirche betriebenen Einrichtungen befürchtete.

Mag sein, dass die Reformpläne daher, wie Verdi-Chef Frank Werneke kritisierte, jetzt nur „die zweitbeste Lösung“ sind, aber sie sind ein Anfang. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) spricht in seinem Entwurf von Lohnsteigerungen bis zu 300 Euro pro Monat. Finanziert werden soll die Reform durch einen Bundeszuschuss zur Pflegeversicherung von jährlich einer Milliarde Euro. Dass außerdem der Beitragssatz für Kinderlose zur Pflegeversicherung marginal um 0,1 Prozentpunkte steigt, gehört auch dazu, ist aber mit Blick auf die Gesamtlage vertretbar.