A 57-Katastrophe als Kunstwerk
Ein 29-Jähriger starb bei einem Feuer auf der Autobahn. Künstler Holger Hagedorn stellt Überreste des Brandes aus.
Dormagen. Auf den ersten Blick wirkt das aktuelle Kunstprojekt von Holger Hagedorn makaber: Der Pulheimer Bildhauer hat aus dem bei der Brandkatastrophe auf der A 57 am 14. Februar verschmolzenen Kunststoff eine Ausstellung zusammengestellt. Unbekannte hatten damals Rohre aus Kunststoff, die unterhalb einer Autobahnbrücke bei Nievenheim lagerten, angezündet.
Ein dichter Rauchschleier legte sich über die A 57. Es kam zu einer Massenkarambolage, bei der ein 29-jähriger Jüchener starb und 13 weitere Menschen zum Teil schwer verletzt wurden.
Hagedorn eröffnete die ungewöhnliche Schau mit dem Titel „Korpus Delikti“ am Montag in der Friedenskirche in Pulheim-Sinnersdorf. „Das Material ist hochsensibel“, sagte er. Da es mit mythologischer und krimineller Energie aufgeladen sei, verbiete sich jegliche kommerzielle Nutzung. Hagedorn: „Aber der übliche Verdrängungs- und Entsorgungsumgang wäre sicherlich auch der falsche Weg.“ Deshalb habe er sich entschlossen, offen an die Themen Gewalt, Unglück, kriminelle Energie und „das Böse“ heranzugehen.
In einer Zeitung entdeckte Hagedorn kurz nach der Brandkatastrophe Fotos der verschmolzenen Kunststoffrohre. Sie hatten sich mit Material der Brücke zu schwarzen Klumpen verbunden. „Nach der Freigabe durch die Kriminalpolizei habe ich beantragt, die 21 Teile zu bekommen, um sie künstlerisch zu nutzen“, erinnerte sich Hagedorn. Straßen.NRW als Besitzer habe ihn unterstützt.
Im Garten der Friedenskirche Pulheim-Sinnersdorf werden bis zum 7. Juli einige der Stücke gezeigt. Drei Teile wurden an einem dreieinhalb Meter hohen Stahlrahmen mit drei Beinen beweglich aufgehängt. Andere Objekte wurden senkrecht im Rasen verankert.
„Es handelt sich dabei um soziale Plastiken im Sinne von Joseph Beuys“, erklärte Hagedorn. Beuys wollte mit dieser Theorie darauf verweisen, dass Kunst in allen gesellschaftlichen Bereichen eine Wirkung haben kann. Der verschmolzene Kunststoff soll laut Hagedorn auf die Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens hinweisen.
Das größte Objekt, das bei dem Brand entstanden ist, befindet sich derzeit auf einem Bauhof von Straßen.NRW im Ruhrgebiet. Hagedorn möchte das rund fünf Meter hohe Kunststoffteil als Mahnmal auf der Raststätte Nievenheim in Fahrtrichtung Krefeld aufstellen. „Straßen.NRW hat das bereits genehmigt. Vorgesehen ist eine halbrunde Grünfläche vor der Tankstelle“, sagte Hagedorn.
Dort soll das Mahnmal auch von der Fahrbahn aus gut sichtbar sein. „Das ist für trauernde Menschen ein Zeichen, dass sie nicht vergessen werden“, erklärte Trauerbegleiterin und Pfarrerin Christiane Voll. Das Mahnmal soll noch in diesem Jahr installiert werden. Zuvor werden allerdings noch Sponsoren gesucht, die den Aufbau finanzieren.
Hagedorn selbst betrachtet die Vergänglichkeit als zentrales Thema seiner Kunst. Er sehe sich in Bezug auf die Tragödie auf der A 57 nicht als Künstler, sondern mehr als Vermittler. Das Feuer habe die künstlerisch hochspannenden Formen gebildet, er habe sie lediglich entdeckt und sichergestellt, bevor sie vernichtet wurden. Hagedorn: „Die Materialien sind aufgeladen mit einem tragischen Inhalt und sprechen für sich.“