Kinder- und Jugendhilfe in Dormagen Wenn das Jugendamt klingelt

Dormagen · Nicht selten werden mit dem Jugendamt negative Dinge verbunden. Inobhutnahmen zum Beispiel. Dabei sind die Aufgaben und Leistungen vielfältig, auch wenn der Schutz von Kindern das Wichtigste bleibt.

Das Familienbüro der Stadt Dormagen hat vielfältige Aufgaben, setzt seinen Schwerpunkt vor allem auf Beratung.

Foto: Andrea Lemke

„Wenn das Jugendamt klingelt, kommt das Kind weg“, ist eine weit verbreitete Vorstellung, die so nicht stimmt. Gleiches gilt für den in Dormagen bekannten Spruch „Wenn du nicht lieb bist, kommst du ins Raphaelshaus“. Zwei Vorurteile, die sich hartnäckig halten und leider nicht den Kern der so wichtigen öffentlichen Jugendhilfe treffen. Denn: Die öffentliche Jugendhilfe hat die Aufgabe, die Erziehung und Entwicklung junger Menschen zu fördern. Sie hat jedoch keinen eigenständigen Erziehungsauftrag, da es nach den gesetzlichen Bestimmungen das natürliche Recht der Eltern ist, ihre Kinder zu pflegen und zu erziehen.

Ina Oberlack kennt die Vorwürfe und diese Gedanken, sie ist die stellvertretende Leiterin des Jugendamtes und zuständig für den Bereich erzieherische und wirtschaftliche Hilfen. In ihren Bereich fällt auch das Thema „Inobhutnahme“, also genau das, was viele für das Kerngeschäft des Jugendamtes halten. „Es ist eine Maßnahme unter vielen. Inobhutnahmen sind dazu da, den Schutz von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten. Im schlimmsten Fall müssen wir ein Kind oder einen Jugendlichen tatsächlich in Obhut nehmen, eben dann, wenn wir eine Kindeswohlgefährdung für möglich halten“, sagt Ina Oberlack. Auch das komme natürlich vor. Aber: „Das Ziel ist immer, dass die Familie am Ende wieder zusammen ist.“ Und: Es komme aber auch vor, dass Jugendliche selbst den Weg zum Familienbüro wählen, „weil es zum Beispiel in der Familie eskaliert ist. Dann sind wir gefordert. Wir nehmen sie dann auf und beziehen natürlich auch die Eltern mit ein“. Keinen Aufschub gibt es hingegen bei einer Meldung durch die Polizei, die Schule oder einen Arzt. „Wenn wir dann zum Beispiel von einer Misshandlung erfahren, schalten wir sofort das Familiengericht ein“, sagt Oberlack. Dann kommt die Inobhutnahme und die ist tatsächlich so, dass das Jugendamt bei der betroffenen Familie klingelt. Meistens kommen die Beamten zu zweit. Wenn es keinen Zugang gibt, wird auch das Ordnungsamt eingeschaltet. Ziel ist es immer, „die Gefahr abzuwenden, gemeinsam mit den Eltern einen Schutzplan zu erstellen“, erklärt die engagierte Frau, die bereits seit 24 Jahren im Jugendamt arbeitet. „Wir wollen helfen, Krisen, in die Familien geraten sind, zu überwinden.“

Alle Familien haben einen Anspruch auf Beratung

Die Arbeit des Familienbüros ist facettenreich. So sind die Hilfen vielfältig und vor allem für alle Dormagener zugänglich. „Das wissen viele gar nicht, dass alle Familien Anspruch auf Erziehungsberatung haben, alle“, betont Oberlack. Das Jugendamt sei eben nicht nur für die „schlimmen“ Fälle da. Vielmehr sei der Kinderschutz nur eines von vielen Aufgabenfeldern. „Beratung ist aber unser Kerngeschäft und wir wollen Familien nicht verwalten, sondern konstruktiv mit ihnen arbeiten.“ Es gäbe viele Beispiele, in denen die Fachkräfte des Familienbüros helfen können. Zum Beispiel, wenn ein Kind sich zurückzieht, wenn eine Scheidung oder Trennung Probleme bereitet, wenn ein Kind nicht nach Hause kommt, an Magersucht leidet oder Drogen nimmt. „Für all diese Fälle haben wir Fachkräfte, daher können wir sicherlich eine gute Hilfestellung leisten, aber auch die nötigen Verbindungen herstellen.“

Es müssten nicht immer die großen Dramen sein, manchmal wüssten Eltern nicht, wie sie einem Kind Grenzen setzen sollen, „auch dann helfen wir gerne“. Man müsse auch wissen, dass nicht immer alles in einer Katastrophe endet. „Deshalb versuchen wir immer wieder, Ängste abzubauen und Vertrauen aufzubauen.“ Und wenn sie noch einmal auf die Inobhutnahmen zurückkommt, sagt Oberlack, dass die Zahlen doch deutlich niedriger seien als in anderen Kommunen. Und das liege sicher auch am Dormagener Modell, das früh und vor allem präventiv ansetzt. Mit dem Babybegrüßungspaket kommt übrigens immer das Jugendamt ins Haus, einfach „weil wir Ängste abbauen und den neuen Erdenbürger begrüßen möchten.“ Für Ina Oberlack ist ihr Beruf erfüllend, weil es die „schönste Arbeit sei, denn: „Wir bewegen etwas und meistens etwas Gutes.“