Netzwerktreffen in Erkrath Interesse an besserem Kinderschutz ist groß
Erkrath · Die drei Netzwerkkoordinatorinnen Kinderschutz luden zu einer Informationsveranstaltung in die Erkrather Stadthalle ein und begrüßten mehr als 300 Teilnehmende.
Seit den Vorfällen in Bergisch-Gladbach, Lütge und Münster, wo organisiert jahrelang Kindern und Jugendlichen sexuelle Gewalt angetan wurde, herrschte eine riesige Betroffenheit in der Gesellschaft. Der Ruf nach verbessertem Kinderschutz, gerade im Internet, wurde laut.
Diesem kam die Landesregierung mit Änderungen im Kinderschutz nach: Städte und Kommunen sind nach §9 des Landeskinderschutzgesetz NRW („Das Gesetz zum Schutz des Kindeswohls und zur Weiterentwicklung und Verbesserung des Schutzes von Kindern- und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen) zur Einrichtung der Stelle eines „Netzwerkkoordinatoren Kinderschutz“ verpflichtet worden.
Im Kreis Mettmann haben sich die Netzwerkkoordinatorinnen Meike Kierbaum (Erkrath), Kira Bergmann (Haan) und Yvonne Herda (Mettmann) zum ersten „Interkommunalen Netzwerk“ zusammengeschlossen. Auf ihre Einladung trafen sich Vertreter, die haupt- oder ehrenamtlich mit Kindern und Jugendlichen umgehen, sowie auch Vertreter von kreisübergreifend arbeitenden Institutionen und Organisationen zu einer Auftaktveranstaltung in der Stadthalle.
Unter den rund 300 Teilnehmenden waren Vertreterinnen und Vertreter aus Schulen, Kitas, Vereinen oder der Feuerwehr, aber auch niedergelassene Kinderärzte, eine Jugendrichterin oder auch Mitarbeitende der Stelle „Gewaltprävention“ des SKFM Mettmann, Hebammen und weitere Vertreterinnen der Jugendämter aus den drei Städten.
Michael Pfleging, Beigeordneter des Geschäftsbereichs Jugend, Soziales und Bildung der Stadt Erkrath, eröffnet die Veranstaltung und zeigte sich beeindruckt ob der großen Anzahl, die sich angemeldet hatte. Annett Volmer, die beim LVR-Landesjugendamt in der Fachberatung Netzwerkkoordination Kinderschutz tätig ist, erläuterte den Anwesenden die Inhalte des §9 näher.
Mangelnde Zusammenarbeit machte es Tätern leichter
„Einer der Gründe, dass die Täter in den drei bereits angesprochenen pädophilen Netzwerken die Kinder und Jugendliche in großem Stil und über so lange Zeit sexuelle Gewalt antun konnten, lag an der mangelnden Zusammenarbeit und daran, dass Informationen zwischen den Behörden nicht weitergegeben wurden,“ so Volmer, die über 30 Jahre Erfahrung in verschiedenen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe verfügt.
Nach ihren Worten solle die „Koordinierungsstelle Kinderschutz“ daher unter anderem für den „Informationstransfer“ sorgen, Fortbildungsangebote – wie Auftaktveranstaltung am 31. Januar in der Stadthalle – oder „effektive und schnelle Zusammenarbeit bei möglichen Kindeswohlgefährdungen sicherstellen“.
Die Zahlen, die Annett Volmer präsentierte, belegen dies: Laut des Statistischen Bundesamts seien 2022 insgesamt 203 700 Hinweise auf Kindeswohlgefährdung gegeben worden. Bei 62 300 von den Jugendämtern gemeldeten Fällen, 4 Prozent mehr als im Vorjahr, handelte es sich um eine tatsächliche Kindeswohlverletzung. Im Kreis Mettmann seien Jugendämter 1569 Fälle nachgegangen. „Es hat eine deutliche Sensibilisierung in der Bevölkerung stattgefunden. Die Einstellung, dass man sich nicht einmische in das, was in fremden Familien vorgehe, wie sie früher üblich war, hat sich zum Glück überlegt,“ so Volmer.
Gut 30 Prozent der Hinweise kämen demnach von der Polizei, 23 Prozent aus dem sozialen Umfeld, 13 Prozent aus der Kinder- und Jugendhilfe, 11 Prozent aus Schulen und der Rest sind Selbstmelder. Der Appel von Annett Volmer an die Anwesenden: „Vertrauen Sie auf Ihr Bauchgefühl, wenn Sie den Verdacht auf Kindeswohlgefährdung haben.“
Aus Angst vor falschen Beschuldigungen, nicht zu tun, sei keine Alternative. Das machten die Schilderungen von Birgit Köppe-Gaisendrees, Leitung der Ärztlichen Kinderschutzambulanz Bergisch Land, deutlich. In ihrem Vortrag zu „Risikofaktor – emotionale Vernachlässigung“ erzählte sie von Beispielen, bei denen nicht rechtzeitig hingeschaut wurde.
In der Pause zwischen den Vorträgen konnten sich die Teilnehmenden dazu äußern, welche möglichen Themen sie im Rahmen der Interkommunalen Zusammenarbeit in Sachen Kinderschutz behandelt wissen möchten.