Luftschutzanlagen in Grevenbroich Sanierungsarbeiten legen alten Bunker frei

Gindorf. · Auf einem Bauernhof wurde die Anlage entdeckt. Der heute 84-jährige Alois Klöther sucht als Kind hier Schutz.

Die freigelegte Bunker ist noch heute in einem guten Zustand. Insgesamt befinden sich acht Räume unter der Erde.

Foto: Dieter Staniek

An die Fliegeralarme kann sich Alois Klöther noch gut erinnern. „Zum Ende des Zweiten Weltkriegs heulten fast jeden Abend die Sirenen“, sagt der 84 Jahre alte Gindorfer. Dann verließ er mit der Mutter und der Schwester das Haus – und mit dem Großvater, den er stets an der Hand hielt, weil der stark sehbehindert war. Ziel der Familie war der Luftschutzbunker auf dem Becker-Hof an der St.-Leonhard-Straße, der jetzt durch Zufall wieder freigelegt wurde.

Alois Klöther war sechs Jahre alt, als die Flugzeuge der Alliierten mit ihrer tödlichen Last über den Rhein-Kreis flogen. Sein Vater war im Krieg, seine Mutter führte zu Hause die Regie. Als die Bomberverbände immer größer wurden, gab es in den Abendstunden gleich mehrere Alarme. „Unsere Kleidungsstücke lagen daher immer griffbereit am Bett“, berichtet Klöther. Manchmal verbrachte die Familie ganze Nächte unter der Erde.

Der Bunker auf dem Bauernhof bot Schutz für die Anlieger der St.-Leonhard-Straße. Frauen, Kinder und Senioren drängten sich in den unterirdischen Räumen. „Obwohl Bomben ganz in der Nähe fielen, ist zum Glück niemand aus unserer Nachbarschaft umgekommen“, erzählt der 84-Jährige.

Zwar war bekannt, dass es einen Luftschutzbunker auf dem Bauernhof gab – doch seine genaue Position war längst in Vergessenheit geraten. Bei Sanierungsarbeiten wurde der Eingang in diesen Tagen zufällig entdeckt. Landwirt André Becker ließ ihn freilegen – was kein Zuckerschlecken war. Zweieinhalb Tage hat ein örtliches Unternehmen dafür gebraucht. Die Treppe, die zu der etwa zwei Meter tief unter der Erdoberfläche liegenden Anlage aus 90 Zentimeter dickem Stahlbeton führt, war nach dem Zweiten Weltkrieg zugeschüttet, der Hof anschließend asphaltiert worden.

Die Luftschutzanlage befindet sich noch in einem guten Zustand. Mehrere Stromleitungen sind erhalten geblieben, ebenso Lichtschalter aus Bakelit, die aussehen, als ob sie verglast worden wären, weil sich Kalk auf ihnen abgelagert hat. Aus den Entlüftungsrohren ragen lange Stalaktiten, hauchdünne Tropfsteine, die sich in den vergangenen Jahrzehnten bildeten.

Insgesamt befinden sich acht Räume unter der Erde, die durch schmale Gänge miteinander verbunden sind – eine beklemmende Atmosphäre. Ein Notausgang, der damals zur Ausstattung eines jeden Weltkriegs-Bunkers gehörte, ist verschüttet und soll nicht wieder freigelegt werden. Davor liegen alte Glasflaschen, die vermutlich von denen hinterlassen wurden, die den Bunker zuschütteten.

„Hier unten haben früher eine ganze Menge Leute gesessen“, berichtet Alois Klöther. Die Nachbarn hätten meist still auf die Entwarnung gewartet, sich nur flüsternd unterhalten. Wie sich der Gindorfer erinnert, war der Bunker eine von drei Luftschutzanlagen, die von der Gemeinde im Jahr 1943 in der näheren Umgebung errichtet wurden. Zwei weitere hätten sich an der Reisdorfer Straße in Gustorf und auf der Hammhöhe in Gindorf befinden – dort, wo jetzt ein Neubaugebiet steht.

Das sei eine „spannende Entdeckung“, die an der St.-Leonhard-Straße gemacht wurde, sagt Jörn Esposito, Vorstandsvorsitzender des Vereins „Luftschutzanlagen“. Die im Januar 2019 gegründete Gemeinschaft hat es sich zum Ziel gesetzt, die noch erhaltenen Bunker im Rhein-Kreis Neuss zu dokumentieren und sie mit Berichten von – immer weniger werdenden – Zeitzeugen zu verbinden.

„Uns sind mittlerweile 180 Lagen im gesamten Kreisgebiet bekannt“, betont Esposito, der die Dunkelziffer der hier noch unentdeckten Luftschutzbunker auf etwa 400 schätzt. Mit der Gindorfer Anlage könne nun ein weiterer weißer Fleck von der Landkarte verschwinden. „Wir würden sie gerne in den nächsten Tagen dokumentieren, vermessen, fotografieren und uns mit Zeitzeugen unterhalten“, betont der Vorstandsvorsitzende.

Obwohl der Luftschutz auf eine mittlerweile mehr als 100-jährige Geschichte zurückblicken kann, ist er insbesondere im ländlichen Raum kaum erforscht. Über die Luftangriffe der Alliierten im heutigen Rhein-Kreis und deren Folgen für die Bürger gibt es keine gesammelten Informationen. „Wir sehen es als unsere Aufgabe an, diese Lücke zu schließen und die gewonnen Informationen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, sagt Jörn Esposito.