Nach Bekanntgabe in Grevenbroich Hydro-Jobabbau gilt Politik als „Weckruf“
Grevenbroich. · Union, SPD und FDP stellen Forderungen zur Stärkung der Wirtschaft im Rhein-Kreis Neuss.
Auch am Tag nach der Mitarbeiterversammlung, bei der die Belegschaft von Hydro Rolled Products über den geplanten massiven Stellenabbau informiert wurde, ist die Betroffenheit groß – im Werk, in der Stadt und im Kreis. Die Produktion im Haupt-Folienbetrieb, der geschlossen werden soll, läuft. „Nach der Nachricht waren Teile der Maschinen abgeschaltet worden, damit die Kollegen die Möglichkeit haben, ,anzukommen’, die Information zu verarbeiten“, sagte Betriebsratsvorsitzender Heinz Höhner.
Die Hiobsbotschaft: Konzernweit sollen bei Hydro Rolled Products mehr als 700 Stellen wegfallen. Grevenbroich ist am stärksten betroffen. Nachdem die Folien-Veredelung mit 117 Stellen zum Jahresende schließt, soll der Folien-Hauptbetrieb mit 226 Stellen stillgelegt werden. Zudem sind laut Hydro „weitere Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in allen Standorten“ geplant. Der Betriebsrat befürchtet, dass in Grevenbroich insgesamt fast 500 Arbeitsplätze betroffen sein werden.
Am Donnerstag – am „Day after“, wie Höhner es nannt – stand eine Sitzung des Betriebsrates mit der Werksleitung an. „Wir haben die Sitzung fortgesetzt, die wir abgebrochen haben, als wir von den Plänen erfuhren“, so Höhner. „Wir werden nun die uns präsentierten Zahlen daraufhin analysieren, ob sie plausibel sind“, kündigt er an. „Nicht nachvollziehbar ist für uns, dass nicht früher gegengesteuert wurde, sondern erst, wenn es schlimmer nicht mehr geht.“ Die Folienherstellung etwa für Lebensmittel sei eine „Kernkompetenz – das Beste, was wir über Jahrzehnte anbieten konnten.“ Die Maschinen seien heute veraltet, „man hätte früher investieren müssen“, sagte der Betriebsratsvorsitzende. Aktionen seien geplant, die „werden wir aber erst im Betriebsrat, mit der Belegschaft und der IG Metall absprechen“.
Als „Weckruf“ bezeichnete CDU-Kreistagsfraktionschef Dieter Welsink den angekündigten Stellenabbau – und als „Schlag ins Kontor für unsere Bemühungen, den Rhein-Kreis Neuss als innovativen und attraktiven Wirtschaftsstandort über die Zeit des Strukturwandels hinaus zu sichern.“ Für die betroffenen Hydro-Mitarbeiter müsten „schnellstmöglich alternative Jobs“ gefunden werden.
Doch Welsink sieht erheblich mehr Handlungsbedarf. „Die Kreisgemeinschaft muss in Bezug auf die Bedürfnisse der Wirtschaft viel agiler werden und sich neu aufstellen.“ Die Fraktion macht sich für ein Konzept zur Stärkung der Wirtschaft stark, in dem „die Kreisgemeinschaft gemeinsame wirtschaftliche Ziele definiert“, sagte Welsink. „Wir – damit spreche ich konkret die Kreispolitik an – müssen besser darin werden, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, um neue Unternehmen anzuwerben, und gleichzeitig die Bedürfnisse der ansässigen Branchen aufgreifen.“ CDU-Kreistagsabgeordneter Johann-Andreas Werhahn betonte: „Wir müssen handeln, jetzt die Rahmen für die mit dem Strukturwandel verbundenen Veränderungen setzen, jetzt günstigen Strom aus dem Norden in unsere Region leiten, jetzt Reserven für mögliche Gewerbeflächen in der Zukunft sichern.“
Die SPD steht, wie Landratskandidat Andreas Behncke erklärte, „solidarisch an der Seite der Beschäftigten“. Gemeinsam mit Udo Schiefner, MdB, würden Gespräche mit Betriebsrat und IG Metall gesucht. „Es ist die einfachste Lösung, bei augenscheinlich ,hausgemachten Problemen Stellen abzubauen“, so Behncke. Angesichts des Braunkohle-Ausstiegs „brauchen wir jetzt erste Leuchtturmprojekte für neue Arbeitsplätze. Die Landesregierung muss endlich die LEP-Fläche in Neurath für Gewerbe- und Industrieansiedlung entwickeln“, fordert der SPD-Politiker.
Aus ökonomischen Gesichtspunkten sei die Entscheidung von Hydro nachvollziehbar, erklärte die FDP-Kreistagsfraktion, doch „das Streichen von fast 500 Stellen“ bezeichnet Vize-Vorsitzender Tim Tressel „als schweren Schlag“. Die Kreisgemeinschaft „muss die Chancen der Digitalisierung nutzen“, um den Wirtschaftsstandort zu stärken.
Die Nachricht vom Stellenabbau bei Hydro „haut einen von den Füßen“, sagte Udo Fischer, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Kreisverband Neuss. „Nicht genug, dass Grevenbroich bald konkret den Strukturwandel spürt. Jetzt kommt so etwas noch
on top.“