Polizeieinsatz in Grevenbroich Klima-Aktivisten klettern auf Bäume am Markt

Grevenbroich · Zwei Braunkohle-Gegner sind in Bäume auf dem Markt geklettert. Gegen eine Teilnehmerin wird heute ein Urteil erwartet: Sie hatte 2021 die RWE-Bahn blockiert.

Eine Aktivistin hisst im Baum ein Transparent und fordert, RWE „in Ketten zu legen“. Der Protest richtet sich gegen den Weiterbetrieb des Kraftwerks Neurath.

Foto: Kandzorra, Christian

Um Aufsehen zu erregen, hätten sich die Klima-Aktivisten wohl kein besseres Datum aussuchen können. Am ersten frühlingshaften Tag des Jahres haben zwei Kohle-Gegner am Montag die hohen Platanen direkt vor dem vollbesetzten Eiscafé Toto am Markt erklommen. Ihre Forderung: Das sofortige Aus für das Braunkohlekraftwerk Neurath. Das machte eine Teilnehmerin am Nachmittag mit einem großen Transparent deutlich, das sie in etwa fünf Metern Höhe im Baum aufspannte. Bei der anderen Aktivistin, die in einen weiteren Baum kletterte, soll es sich um eine diverse Person handeln, die sich vor dem Amtsgericht Grevenbroich verantworten muss. Der Prozess gegen sie hatte vor vier Wochen begonnen; verhandelt wird die Blockade der RWE-Werksbahn, an der sie im November 2021 beteiligt gewesen sein soll.

Mit der Baum-Aktion wollten die Teilnehmer auf den Fall aufmerksam machen. Denn diesen Dienstag wird das Urteil in der Verhandlung um die Blockade der Nord-Süd-Kohlebahn erwartet. An zwei vorangegangenen Verhandlungstagen war es bereits zu Tumulten am und im Gerichtssaal gekommen; zuletzt war auch vor dem Gericht ein Baum von einer Aktivistin erklommen worden.

Gegen 17.15 Uhr war
die Aktion laut Polizei beendet

Der Protest vor eisessendem Publikum in der Innenstadt hat für Aufsehen gesorgt und war gut vorbereitet. Die Polizei zählte insgesamt fünf Teilnehmer: zwei in den Bäumen, drei weitere am Boden. Eine Teilnehmerin verteilte Flugblätter an Schaulustige. Darauf stand unter anderem: „Weil legaler Protest seit Jahren nichts bringt, wurde 2021 das Kohlekraftwerk Neurath blockiert, das zweitdreckigste in Europa.“ Ein anderer Teilnehmer überwachte die Seile, mit denen sich die Kletterer in den Bäumen hielten. „RWE gehört vor Gericht“, sagte er. Spontane Aktionen wie die vom Montag seien Teil „unseres öffentlichkeitswirksamen Auftretens“.

Die Polizei wertete die Kletter-Aktion als nicht genehmigte Spontan-Versammlung und sperrte die Bäume mit Pylonen ab. Im Gespräch mit der Polizei soll sich kein Versammlungsleiter gemeldet haben, auch sollen die beiden Kletterer die Bäume zunächst nicht freiwillig verlassen haben. Als erstes auf die Aktion aufmerksam geworden soll ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes gewesen sein, der privat am Café Toto vorbeiging, als die erste Kletterin in den Baum stieg.

Kurze Zeit später kamen weitere Kräfte des Ordnungsamtes dazu, auch die Polizei rückte an. Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes hielt die diverse Person zunächst am Fuß fest und verhinderte so, dass sie weiter auf den Baum klettern konnte. Gut eine halbe Stunde nach Beginn der Aktion ließ er sie jedoch los – die nicht genehmigte Versammlung wurde zu einem Fall für die Polizei.

Während die diverse Person weiter auf den Baum kletterte, drehte sich die andere Frau im Baum Zigaretten. Und das Eiscafé Toto machte kräftig Umsatz. Die Besucher draußen hatten ihre Augen stets in die Baumkronen gerichtet, so wie Jenny Goergens, die einen Platz in der ersten Reihe hatte. „Sowas habe ich in Grevenbroich noch nie gesehen“, sagte sie. Wie sie fanden viele weitere Besucher die Aktion recht unterhaltsam.

Andere blickten skeptisch in die Bäume. „Damit bewirkt man doch nichts“, sagte Gerda Herwig kopfschüttelnd. Sie hatte einige Erledigungen in der Innenstadt getätigt und kam durch Zufall an den Aktivisten vorbei. Ihre Meinung: Der Protest im Baum ist besser als das Festkleben auf der Straße. „Aber der Steuerzahler zahlt den Polizeieinsatz.“ Die drei Gesamtschüler Sean, David und Raad haben sich ebenfalls Flugblätter geben lassen und starrten verdutzt in die Höhe. „Besser, als wenn sie sich an den Gleisen der Kohlebahn in Lebensgefahr bringen“, lautete ihr Fazit.

Etwa anderthalb Stunden nach Beginn der Kletter-Aktion verkündete die Polizei mit Hilfe eines Lautsprechers eine Auflösungsverfügung. Wie Polizeisprecherin Claudia Suthor mitteilte, folgte direkt danach ein Kooperationsgespräch. Kurz darauf sollen die Personen in den Bäumen entschlossen haben, freiwillig herunterzukommen. Gegen 17.15 Uhr war die Aktion laut Suthor beendet: „Die Identitäten aller Beteiligter konnten festgestellt werden.“ Die Polizei erteilte Platzverweise.