Welche Bedeutung hat der Welt-Alzheimertag für Sie?
Johanniter-Stift in Kaarst Erkrankten mit Empathie begegnen
Interview Vor dem Welt-Alzheimertag sprechen Michael Heine, Leiter des Johanniter-Stifts, und die Pflegerin Sonja Fritsch-Tenhagen über die Krankheit.
Michael Heine: Ich finde es wunderbar, dass es diesen Tag gibt. Denn er ist ein guter Anlass, auf diese Erkrankung aufmerksam zu machen. Zumal es große Wissenslücken in der Bevölkerung im Umgang mit Demenzkranken gibt.
Sie suchen regelmäßig ehrenamtliche Mitarbeiter für das Johanniter-Haus 1, in dem Demenzkranke leben. Ist es schwieriger, für diese Arbeit Ehrenamtler zu finden?
Sonja Fritsch-Tenhagen: Für mich persönlich ist die Arbeit mit Demenzkranken nicht schwierig. Im Gegenteil: Sie macht mir sogar viel Spaß. Aber es gibt Menschen, die unsicher im Umgang mit Betroffenen sind. Daher schulen wir alle Ehrenamtler vor ihrer Tätigkeit. Die meisten, die sich darauf einlassen, erfahren dann: Diese Arbeit gibt einem sehr viel zurück.
Das Motto des diesjährigen Welt-Alzheimertags lautet „Demenz. Einander offen begegnen.“ Wie schwierig ist der Umgang mit dieser tückischen Krankheit?
Fritsch-Tenhagen: Es kann einfach sein, wenn man mit Empathie und Wertschätzung den Erkrankten begegnet. Es hilft, sich auf deren Gedankenwelt einzulassen. Ich gebe mal ein Beispiel: Ein 80-jähriger Herr hier bei uns denkt jeden Morgen an seine Arbeit und will entsprechend täglich aufbrechen. Meine Kollegen und ich gehen seine Gedankenwelt mit und reden mit ihm über seine bevorstehenden Aufgaben.
Heine: Außenstehende sind oftmals unsicher, wie sie sich gegenüber Menschen mit starker Demenz verhalten sollen. Daher ist das diesjährige Motto ideal. Es bestärkt darin, sich auf nicht-rationale Verhaltensweisen einzulassen und zu versuchen, positive Kontaktmomente herzustellen.
Wie kann das im Alltag umgesetzt werden?
Heine: Wir hatten hier einen Herrn – er ist inzwischen verstorben –, der regelmäßig Oldtimer-Rallyes veranstaltet hat. Für ihn war es ein ganz besonderes Erlebnis, als eine Mitarbeiterin mit ihm im Cabrio eine von ihm organisierte Tourstrecke abgefahren ist. Derart positive Momente sind für alle besonders: Sowohl für die Mitarbeiter als auch für Bewohner.
Wie leben Demenzkranke im Johanniter-Stift?
Fritsch-Tenhagen: Jeder hat sein Einzelzimmer mit eigenem Bad, in dem selbstbestimmtes Leben möglich ist. Das heißt: Wer Langschläfer ist, schläft aus. Wer eher nachtaktiv ist, kann sich in unserem Haus eine Beschäftigung suchen. Wir arbeiten hier nach dem Motto „Suchend reagieren“.
Was bedeutet das konkret?
Fritsch-Tenhagen: Wenn beispielsweise ein Bewohner nicht isst, versuche ich die Gründe herauszufinden. Liegt es am Essen? An der Farbe des Tellers? An der Art des Servierens? Oder daran, dass er lieber mit den Fingern statt mit Besteck essen möchte? Uns ist es wichtig, flexibel zu reagieren.
Wie gehen Sie damit um, wenn Betroffene grundsätzlich so etwas wie Alltag ablehnen?
Fritsch-Tenhagen: Die Bewohner geben den Pflegeablauf vor. Wenn jemand beispielsweise das Rasieren ablehnt, wird abgebrochen. Wir gehen gelassen und tolerant damit um, wiederholen aber unsere Angebote – allerdings ohne Zwang.
Heine: Wir arbeiten hier mit einem multi-professionellen Team, das darin geschult ist, mit Geduld und Flexibilität auf die Bewohner einzugehen.
Welche Hilfestellungen können Sie Angehörigen bieten?
Heine: Oftmals haben Angehörige das Gefühl, sie würden ihre Partner oder Elternteile abschieben, wenn sie sich für eine Heimunterbringung entscheiden. Wir bestärken sie darin, dass sie das Richtige tun. Denn meist haben sie längst ihre Belastungsgrenze überschritten und kommen häufig viel zu spät für beide Seiten.
Fritsch-Tenhagen: Um Angehörigen die Sorgen zu nehmen, sind sie bei uns 24 Stunden am Tag willkommen. Wenn die Ehefrau eines dementiell Erkrankten sich sorgt, wie es ihrem Mann nachts bei uns ergeht, kann sie jederzeit kommen oder sich telefonisch erkundigen. Angehörige sollen sich auch nicht als Besucher, sondern wie zuhause fühlen.
Heine: Regelmäßig bieten wir Informations-Tage für Angehörige an und laden zu Veranstaltungen gemeinsam mit der Alzheimer-Gesellschaft ein.