„Stadtgeschichte am Abend“ in Kaarst Wahlbeteiligung lag 1919 bei nur vier Prozent

Kaarst · Die Vortragsreihe „Stadtgeschichte am Abend“ hat sich am Dienstag mit dem Thema Wahlen zwischen 1918 und 1949 beschäftigt. Historiker Ansgar Klein fand heraus, dass es bei den Wahlen 1919 ein großes Desinteresse in Kaarst gab. Allerdings war die Aktenlage lückenhaft.

Das Thema Wahlen und Abstimmungen in Kaarst zwischen 1918 und 1949 stand im Mittelpunkt der Vortragsreihe „Stadtgeschichte am Abend“ in den Räumen der VHS. Historiker Ansgar Klein, in Kaarst seit 1. August 2023 als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Erforschung der Regionalgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts tätig, warf in seinem Vortrag viele Schlaglichter auf das Wahlverhalten der Büttgener und Kaarster Bürger.

Ausgestattet mit reichlich Zahlenmaterial und Schaubildern brachte er den rund 40 Zuhörern die Ergebnisse des damaligen Zeitraums näher. Das Thema war angesichts der anstehenden Europawahl und weiterer Landtagswahlen in diesem Jahr aktueller denn je, vor dem Hintergrund der Anschläge auf Politiker auch sehr brisant. Klein hatte in akribischer Detektivarbeit das Abstimmungsverhalten der Bürger bei Reichstags- und Kommunalwahlen recherchiert – die Aktenlage war zum Teil sehr lückenhaft. Interessant war die Aussage, dass 1919 bei den Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung das „Zentrum“ in Büttgen mit 97,2 Prozent sehr hoch abschnitt. Auch bei den Reichstagswahlen 1920 bis 1933 erwies sich das „Zentrum“ als beherrschende Partei und blieb bis 1933 stärkste politische Kraft – erst danach begann die NSDAP in Büttgen deutlich zu erstarken.

Ansgar Klein fasst dazu zusammen: „Das Wahlverhalten bei Reichstagswahlen entsprach dem im überwiegend katholischen Rheinland: ein starkes Zentrum, das von Wahl zu Wahl schwächer wurde und erst 1933 in Büttgen von der NSDAP überflügelt werden konnte“. Sie konnte ihre Stimmenzahl deutlich steigern: 18 Stimmen zählte man im Jahr 1928 und 1933 waren es bereits 1800. Die KPD lag meistens vor der SPD.

Für die Kommunalwahlen zeichnete Klein ein anderes Bild: Hier konnten die Wahlberechtigten zwischen vielen kleinen Parteizusammenschlüssen wählen. Merkwürdig war das totale Desinteresse bei den Wahlen 1919, denn die Beteiligung lag bei vier Prozent. Der Grund sind wahrscheinlich die Einheitslisten für Kaarst und Büttgen. Nach 1946 wurde die CDU die stärkste politische Kraft. Stadtarchivar Sven Woelke bemängelte das Fehlen vieler Akten, die Anfang März 1945 in Büttgen vernichtet worden sind: Grund unbekannt. Dass ein Zuhörer Fremd- und Zwangsarbeiter als mögliche Urheber nannte, ordnete Keywan Klaus Münster vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte in den Bereich Mythos ein.