Leichtathletik: Die Kooperative der Zukunft

In Kaarst wollte man sie nicht, jetzt trainiert die Gruppe von Katharina Neubert in Neersen.

Rhein-Kreis Neuss. Wenn die Sportvereine eine Zukunft haben wollen, dann müssen sie gerade Jugendlichen und Kindern ein optimales Betätigungsfeld bieten. Doch in vielen Vereinen fehlen Geld und Ideen. Die Folge: ein Mitgliederschwund, weil gerade der Nachwuchs anderswo nach seinem Glück sucht.

Die Vorschläge für eine Lösung des Problems reichen von Beitragsfreiheit für Kinder bis zu professionellen Angeboten für die Jugendlichen. Über Kooperationen wird dabei noch viel zu wenig nachgedacht, da bremst doch zu oft die klassische Vereinsmeierei.

Zwei vereinsübergreifende Projekte gibt es dennoch im Rhein-Kreis Neuss in der Leichtathletik. Eines wird vom Dormagener Diplom-Sportlehrer Stefan Früh für die talentierten Kinder im Kreisgebiet mit offizieller Unterstützung geleitet und ist in Kaarst angesiedelt. Das andere ist eher "illegal" und wurde vor wenigen Wochen sogar aus der Stadt "vertrieben".

Das Projekt wird von der 25-jährigen Kaarster Fitnessberaterin und Top-Speerwerferin Katharina Neubert geleitet. Der Kooperation gehören derzeit vier Mädchen aus drei unterschiedlichen Vereinen an, die alle in Kaarst beheimatet sind und die bei Katharina Neubert früher einmal innerhalb der SG Kaarst trainierten, bevor diese ein "Lanzarote-Jahr" einlegte und daher nicht zur Verfügung stand.

Als sie wieder in der Heimat war, kamen auch sofort einige ihrer ehemaligen Schützlinge zurück. Neubert war für sie wie eine große Schwester - und zugleich eine erfolgreiche Trainerin. Im Kaarster Sportzentrum trainierten sie zunächst wie in früheren Zeiten.

Bis zu jenem Tag, als ihnen in Kaarst die rote Karte gezeigt wurde. Schlimmer noch: Katharina Neubert erhielt einen Anruf aus dem Kaarster Rathaus, sie habe sich dort gefälligst einzufinden. Dort wurde ihr eine Rechnung über 750 Euro präsentiert - "wegen unerlaubter Nutzung städtischer Anlagen".

Dabei wollte Katharina Neubert nur ihren vier Mädchen weiterhelfen, die ansonsten der Leichtathletik verloren gegangenen wären - wenn sie denn überhaupt noch weiter Sport getrieben hätten. Neubert, die mit 19Jahren den Speer über 50 Meter weit geworfen hatte und als großes Wurftalent galt, startet inzwischen für die LG Olympia Dortmund und wurde erst vor drei Wochen bei den Westdeutschen Meisterschaften mit einem Wurf auf 47,90 Meter Dritte.

Zweimal in der Woche fährt sie nach Dortmund zum Wurftraining, dreimal versammelt sie ihre "kleinen Schwestern" zum Training. Man ist inzwischen umgezogen in ein kleines Wäldchen in Neersen am Nordkanal.

Nicht allzu weit von Kaarst entfernt können die Mädchen dort ihre Ausdauereinheiten erledigen, und im Willicher Stadion haben die fünf Kaarsterinnen für ihr Techniktraining Asyl gefunden. Dorthin müssen dann die Eltern ihre Kinder bringen.

In der Leichtathletik kann man nur dann an Meisterschaften teilnehmen, wenn man einem offiziellen Verein angehört. Bei einem Kaarster Klub besitzt keines der Mädchen mehr eine Mitgliedschaft, was wohl die Stadt zur "Verbannung" veranlasst hatte. Die beteiligten Vereine finanzieren zwar nicht die "Kooperative" (Katharina Neubert), aber immerhin sorgen sie dafür, dass die Mädchen zu den Sportfesten und Meisterschaften gemeldet werden und bezahlen die Teilnehmergebühren.

Katharina Neubert arbeitet da ganz eng mit den jeweiligen Klubs wie mit der DJK Kleinenbroich, dem TV Jahn Kapellen oder dem Düsseldorfer Verein TV Angermund zusammen. Was da im Neersener Wäldchen passiert, ist womöglich die Kooperative der Zukunft und in einigen Jahren an der Tagesordnung. Katharina Neubert ist derzeit einfach ihrer Zeit wohl nur etwas voraus.