Als Chefin in Männerdomäne aktiv
Simone Kesch fand über Umwege ihren Job als Reifenhändlerin.
Früher hat Simone Kesch ihrem Vater gerne beim Schrauben am Familienauto über die Schulter geschaut. Dass sie als erwachsene Frau einmal einen eigenen Reifenhandel mit Kfz-Werkstatt haben würde, hätte die heute 46-Jährige damals auch nicht gedacht. „Manchmal ist es eben gut, auf seinem Weg nach rechts und links zu schauen“, sagt sie — und erzählt eine Erfolgsgeschichte zum Weltfrauentag.
Geboren wurde Kesch in Mülheim an der Ruhr, das Abitur hat sie im ersten Anlauf abgebrochen. „Ich hatte damals andere Dinge im Kopf“, sagt die Unternehmerin. Simone Kesch entscheidet sich für eine Ausbildung zur Justizangestellten und zieht nach zwei Jahren im Job nach Düseldorf, um als Sekretärin in einer Werbeagentur zu arbeiten. „Da war ich 22 Jahre alt. Damals hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, dass mir das, was ich habe, möglicherweise nicht reicht.“ Kesch merkt: Ohne akademische Ausbildung kommt sie nicht weiter, also stemmt sie auf dem zweiten Bildungsweg ihr Abitur, schließt an der Fachhochschule ein Betriebswirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Marketing und Kommunikation an und arbeitet nebenher weiter als Sekretärin. „Für meine Entscheidung, mit Mitte Zwanzig noch einmal das Lernen anzufangen, haben mich einige für verrückt erklärt — oder mutig“, erinnert sich Kesch. „Auf jeden Fall war es der richtige Weg. Ich war ja als Sekretärin schon relativ weit oben, mochte es aber nicht, vom Rhythmus eines anderen abhängig zu sein.“ Direkt nach dem Studium bekommt die Düsseldorferin ein Jobangebot. „Ein Bekannter war Marketingmanager im Outlet-Center Roermond und suchte einen Mitarbeiter“, erzählt sie. Aus sechs Monaten werden sechs Jahre und aus der Mitarbeiterin eine Chefin.
Simone Kesch hat damals bereits einen kleinen Sohn und pendelt jeden Tag in die Niederlande und zurück. Dabei bekommt sie unmittelbar mit, wie viel mehr im Vergleich zu Deutschland die Leistung arbeitender Mütter wertgeschätzt wird. „In den Niederlanden gibt es keine drei Jahre Elternzeit, ich musste also nach sechs Monaten wieder anfangen zu arbeiten, dafür wird aber auch keine Frau blöd angeguckt“, sagt sie. „Einen U 3-Betreuungsplatz zu finden, wäre überhaupt kein Problem gewesen, in Deutschland hingegen war und ist es das schon.“
Kesch findet das schade. „Es ist schon traurig, dass viele Frauen viel Zeit und Geld in ihre Ausbildung investieren und dann im Stich gelassen werden“, sagt sie. „Jedenfalls hatte ich damals das Gefühl.“
Als ihr heutiger Ex-Mann 2011 die Übernahme eines inhabergeführten Reifenhandels auf dem Areal Böhler angeboten bekommt und dieses an sie weitergibt, entscheidet sich die 46-Jährige wieder spontan. Angst vor der Selbstständigkeit hat sie nicht. „Ich hatte einfach Lust, etwas Neues zu machen“, sagt sie.
Die 46-Jährige krempelt den kleinen, in die Jahre gekommenen Betrieb mit damals fünf ausschließlich männlichen Mitarbeitern um, stockt das Team auf. Heute sind das Lager und die Auftragsbücher voll. Noch weiter wachsen will Simone Kesch mit ihrem Unternehmen allerdings nicht. „Dann gerät die Work-Life-Balance total aus dem Lot, und das will ich nicht“, sagt sie.