Anwohner der Goethestraße feiern „ihren“ Geburtstag

Die gute Nachbarschaft besteht nun schon seit 50 Jahren. 1966 entstanden die Häuser in der Osterather Siedlung.

Foto: Weiß

Aus allen Himmelsrichtungen strömen die Nachbarn herbei. Treffpunkt: die Osterather Goethestraße 56. Wolfgang Weiß hat geladen, und binnen weniger Minuten hat sich die kleine Straße vor seinem Bungalow zum Gruppenfoto mit zwei Dutzend Menschen gefüllt. Sie geben der Goethestraße ihr Gesicht, füllen sie Tag für Tag mit buntem Leben. Viele von ihnen bereits seit einem halben Jahrhundert. Am heutigen Samstag wird sich die Siedlung mit ihren vier kleinen Seitenarmen zur 50-Jahr-Feier besonders herausputzen. „Es wird ein rauschendes Fest“, spricht aus Weiß die Vorfreude. Als Bewohner der ersten Stunde feiert er schließlich Goldene Hochzeit mit „seiner“ Straße.

Foto: Ulli Dackweiler

Es war der 3. Oktober 1966, als Weiß mit seiner Ehefrau Ilse den ersten Bungalow der Siedlung bezog. Dieser diente damals als exemplarisches Musterhaus. „Wir sind zuvor mit einem Bauprojekt in Lank gescheitert“, ergänzt seine Frau, „das hat uns damals viel Geld gekostet.“ Die Goethestraße hingegen, da sind sich beide einig, sei ein echter Glücksfall für sie. Damals wie heute.

Das Ehepaar blieb an der Straße nicht lange alleine. Aus Fremden wurden Nachbarn, aus Nachbarn schließlich Freunde. Nun, fast 50 Jahre später, haben sich viele dieser Freunde nach dem Gruppenfoto noch im Garten der Familie versammelt. Kinder und Senioren, Alteingesessene und Neuhinzugezogene. „Herzlich willkommen“ steht auf einem großen Transparent, das Weiß extra zum Jubiläum angefertigt hat. Die Nachbarn danken es ihm mit einem T-Shirt, das das Konterfei von Johann Wolfgang von Goethe ziert, Dichter und Denker, und seit einem halben Jahrhundert Namenspatron einer nicht ganz alltäglichen Meerbuscher Nachbargemeinschaft.

Die muss sich um den Nachwuchs keine Sorgen machen. „Alleine in den letzten zwei Monaten haben Nachbarn vier Kinder zur Welt gebracht“, freut sich Weiß. Eines von ihnen ist Anton, mit sechs Wochen zugleich der jüngste Goethestraßen-Bewohner. Mutter Kristina (37) und Vater Mirko Zucher (38) wohnten wie so viele ihrer neuen Nachbarn zuvor in Düsseldorf.

Wolfgang Weiß, Anwohner seit 1966

Die Beweggründe für den Umzug liegen für sie auf der Hand. „Hier ist es ruhiger als in einer Großstadt, und es geht nicht so anonym zu“, sagt Mirko Zucher. An der Goethestraße wurden sie mit offenen Armen empfangen. „Bereits am Tag unseres Einzugs wurden die ersten Getränke über den Gartenzaun gereicht“, erinnert sich seine Frau.

Die 14-jährige Justine Janowska hat in der Siedlung schon einige Freundinnen gefunden. Wenn dann doch einmal die Großstadt zur Party oder zum Shoppen ruft, ist der Weg nicht weit: „Mit der U-Bahn bin ich in ein paar Minuten in Düsseldorf oder Krefeld.“

„Klein Marokko“ wurde die Siedlung an der Goethestraße einst wegen ihrer weißen Häuser genannt. Südländisches Flair bestimmte über die Jahrzehnte hinweg das Temperament der Anwohner, die viele Feste miteinander gefeiert haben. „Früher war die Goethestraße eine einzige Partymeile“, erinnert sich Wolfgang Weiß. Gefeiert wurde reihum bei den Nachbarn. „Die Feste sind die schönsten Erinnerungen“, findet Stefanie Budach.

Es war Weihnachten 1966, als sie mit ihrem Mann und dem Weihnachtsbaum im Kofferraum von Büderich aus an die Goethestraße zog. „Eigentlich wollten wir nicht lange bleiben, doch dann haben wir die Nachbarn kennengelernt.“

57 Häuser und Bungalows zieren mittlerweile die Straße, deren Platz damit ausgereizt ist. Wenn es mal wieder an der Tür klingelt und nicht die Nachbarn auf der Fußmatte stehen, sind es oft Menschen, die zu Nachbarn werden wollen. „Wir bekommen oft Angebote für unseren Bungalow oder werden gefragt, ob wir denn nicht verkaufen möchten“, sagt Wolfgang Weiß. Verkaufen? „Niemals“ sagt er ohne zu zögern. Er möchte gerne noch einige Jubiläen auf der Straße feiern. So, wie sie es früher schon getan haben, wenn zum zehnten oder 25. Jubiläum die ganze Straße zu Plausch und Tanz zusammenkam. „Diese Tradition war zwischenzeitlich etwas eingeschlafen“, sagt Weiß, „es waren die jungen Leute, die sie wiederbelebt haben.“

Diese Nachbarn, diese Freunde, werden am heute ab 15.30 Uhr wieder aus allen Himmelsrichtungen zusammenkommen. Es gibt schließlich wieder viel zu feiern. Ein halbes Jahrhundert lang pflegen sie bereits ihre Nachbarschaftstradition. Die nächste Generation steht bereits in den Startlöchern.