Berufliches Glück nach 270 Absagen
Hesham Aljabahji ist Ingenieur, kam 2015 als qualifizierter Flüchtling nach Deutschland. Bei der Meerbuscher Firma Schweers fand er nach viel Frust im September 2017 endlich einen Job.
Hesham Aljabahji kam mit dem großen Flüchtlingsstrom 2015 nach Deutschland. Eigentlich ist er ein Vorzeige-Flüchtling. Einer von denen Politiker gerne sagen, dass sie gebraucht werden, um den Fachkräftemangel in Deutschland zu bekämpfen. Denn der Syrer ist Ingenieur, er spricht fließend Deutsch, er ist fleißig. Auf die meisten seiner 270 Bewerbungen erhielt er jedoch nicht mal eine Antwort. Bis er ein Jobangebot aus Meerbusch bekam.
„Das ist Herr Aljabahji, unser Flüchtling“, stellt Michael Schweers seinen Produktmanager vor. Beide lachen. In Osterath sind sie beim IT-Unternehmen Schweers seit September 2017 Chef und Angestellter, doch sie sind auch alte Bekannte. Der Zufall hat sie nach Jahren wieder zusammengeführt: „Wir sind uns auf einer Messe in Karlsruhe begegnet, ich habe ihn auf Englisch gefragt, was er in Deutschland macht. Er hat mir auf Deutsch geantwortet, dass er nach Deutschland geflüchtet ist und eine Arbeitsstelle sucht“, erinnert sich Schweers. Der Meerbuscher Unternehmer stellte den Syrer ein, zunächst als „Flüchtikant“, dann könne man weitersehen. „Wir mussten die vier Wochen nutzen, um zu sehen, wie Herr Aljabahji ins Unternehmen passt, wie wir hier zusammenarbeiten können“, sagt Schweers.
Mehrere Jahre hatten die beiden zuvor bereits in Dubai zusammen gearbeitet. Aljabahji war dort von 2004 bis 2009 als Angestellter der Stadt an der Automatisierung der Parkraumbewirtschaftung beteiligt. Die Firma Schweers konnte genau die Geräte zur mobilen Erfassung von Falschparkern liefern, nach denen Aljabahji auf der Suche war, die der brütenden Hitze, der hohen Luftfeuchtigkeit in den Arabischen Emiraten trotzten — man kam ins Geschäft. Als Aljabahji nach Abu Dhabi zog, um dort das zu der Zeit weltweit größte Parkraumkonzept zu erarbeiten, vertraute er erneut auf die Meerbuscher Technik. 90 000 Parkplätze bewirtschaftete Aljabahji dort als Projektleiter, leitete ein Team aus 160 Betriebskräften und 500 Überwachungskräften. Wohnte mit seiner Familie auf 180 Quadratmetern im 26. Stockwerk mit einem unglaublichen Blick über die Stadt. Das Leben war ein anderes.
Der Staub, die Hitze, der Ausblick sind Geschichte. Als sein Arbeitsvertrag in Abu Dhabi abläuft, soll die Stelle mit jemandem besetzt werden, der kein Syrer ist, sagt Aljabahji. Er hat 45 Tage Zeit, einen neuen Job zu finden, sonst muss er das Land verlassen und nach Syrien zurückgehen. Doch dort tobt der Krieg, Aljabahji kommt aus der Stadt Harasta, die einige Kilometer von Damaskus entfernt liegt. „Von der Distanz her wie von Meerbusch nach Düsseldorf“, sagt Aljabahji. Sein Haus, das er dort wenige Jahre zuvor gekauft hat, wurde bombardiert, seine Eltern, seine Geschwister sind längst nicht mehr dort.
Aljabahji fliegt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen nach München. Von dort aus geht es für die Familie nach Niedersachsen, in einem Militärdepot lebt sie mit 16 Menschen in einem Container, anschließend ziehen sie in ein Flüchtlingsheim in Osnabrück, in Delmenhorst bekommen sie eine eigene Wohnung, nach einem Wasserschaden ziehen sie noch zweimal um. Jedes Mal müssen die Kinder die Schule wechseln — und die Aljabahjis erwarten noch ein drittes.
Das Paar besucht Deutschkurse, Hesham Aljabahji spricht bald fließend, im April 2016 bekommt er seine Arbeitserlaubnis. Zwei Jahre lang schreibt er Bewerbungen, über 270 Stück. Selten bekommt er eine Antwort, nie eine positive. Frust macht sich breit: „In den Nachrichten habe ich immer gehört, Deutschland brauche qualifizierte Kräfte, besonders Ingenieure würden gesucht“, sagt er. Seine Geschichte macht deutlich, dass auch hochqualifizierte Kräfte aus dem Ausland es auf dem hiesigen Arbeitsmarkt schwer haben. „Die Anforderungen an Sprachkenntnisse steigen mit der Komplexität des Stellenangebots“, erklärt Wolfgang Draeger, operativer Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Mönchengladbach. Besonders viele Stellen gebe es im Rhein-Kreis im Handwerk und in der Pflege, und in den Berufsfeldern Metall, Elektro und Gas-Wasser-Installation. Doch mangelnde Sprachkenntnisse machten die Vermittlung schwer.
Auch Michael Schweers ist bewusst, dass Arbeitgeber Einschränkungen in Kauf nehmen, wenn sie Flüchtlinge einstellen. Obwohl das Deutsch seines neuen Mitarbeiters gut ist, sei der direkte Kundenkontakt schwierig. „Wir sprechen auch noch viel Englisch miteinander, komplexe Zusammenhänge lassen sich so oft schneller erklären“, sagt Schweers. Hätte er Aljabahjis nicht gekannt, hätte er ihn wahrscheinlich nicht eingestellt. „Es war Glück, dass ich wusste, wie qualifiziert er ist.“