Der notorische Choleriker lässt es ruhiger angehen
Wilfried Schmickler philosophiert in „Weiter!“ auch über gesellschaftliche Randerscheinungen.
Lank. Bei Wilfried Schmickler gibt es kein Vorspiel. Gewohnt brachial fällt der notorische Choleriker im Forum Wasserturm sofort mit der Tür ins Haus und knöpft sich nach einem kurzen Seitenhieb auf Merkels Atomspagat scharfzüngig die FDP vor.
Inhaltlich kompromisslos, dafür rhetorisch ebenso feinsinnig wie subtil macht der hochdekorierte Kabarettist auch in seinem aktuellen Programm „Weiter!“ zunächst vor keinem Tabu Halt und hat so das Publikum im ausverkauften Theater im Nu auf seiner Seite. So kennt man den Stammgast der Mitternachtsspitzen, und Schmickler enttäuscht seine Zuschauer nicht. Mit großer Gestik und anatomisch grenzwertigem Augenaufschlag senst er verbal durch die Absurditäten der Berliner Polit-Bühne.
Aber Schmickler kann auch anders. Er nimmt das TV-Elend aufs Korn, macht sich über vermeintlich vielsagende Internet-Bewertungen lustig und ist sich nicht einmal zu schade dafür, wie er selbst einräumt, „blöde Witze“ einzustreuen. Die satirische Analyse grotesker gesellschaftlicher Auswüchse hat der 56-Jährige schon immer in seine Programme eingeflochten. Das geschah jedoch stets ein wenig verbissen, fast rechthaberisch. Jetzt ist es auch mal erfrischend albern.
Selten hat man Wilfried Schmickler zudem als derart eloquenten Sänger gehört. Die Texte waren schon immer gut, aber jetzt wippt er mit, man könnte es fast schon Tanzen nennen. Und noch etwas fällt auf: Der Kölner macht tatsächlich hin und wieder Punkt und Komma. Die Rolle des wütenden Anklägers, der ohne Sprechpausen seine Opfer mit messerscharfem Wortwitz aburteilt, scheint ihm auf Dauer zu anstrengend zu sein.
An Glaubwürdigkeit hat Schmickler dadurch keineswegs verloren. Kabarettisten, die sich nur noch als Weltverbesserer aufspielen und dabei vergessen, dass ihre eigentliche Aufgabe darin besteht, das Publikum zu unterhalten, gibt es genug. Schmickler wird sogar richtig melancholisch, wenn er das Lied vom traurigen Sozialdemokraten anstimmt: „Allein im Ortsverein, kein Schwein tritt ein, steh’ ausgebrannt am Infostand, drück’ jedem die Hand, red’ gegen eine Wand.“