„Es ist auch ganz viel Normalität“
Ehrenamtliche Helfer können Angehörige von Demenzkranken entlasten.
Meerbusch. Die Zahl der Menschen, die an Demenz erkrankt sind, steigt stetig. Leichte Vergesslichkeit kann sich zu einer völligen Desorientierung steigern. Angehörige helfen den Erkrankten im Alltag, geben ihnen Halt. Es ist eine erschöpfende Aufgabe. Um diese pflegenden Angehörigen zu entlasten, sucht die Alzheimer Gesellschaft Neuss gemeinsam mit der Bürgerstiftung Meerbusch Menschen, die ehrenamtlich stundenweise dem an Demenz Erkrankten Gesellschaft leisten. 33 Helfer gibt es im Rhein-Kreis, in Meerbusch bisher noch keinen. Wir sprachen mit Sandra Menge.
WZ: Frau Menge, wie sieht der Alltag mit einem an Demenz erkrankten Menschen aus?
Sandra Menge: Menschen mit Demenz können kaum mehr alleingelassen werden. Ihre Angehörigen haben keine ruhige Minute, haben immer den Zeitfaktor im Nacken, egal ob sie einkaufen oder zum Arzt gehen. Ein gemütliches Kaffeetrinken mit der Freundin geht einfach nicht mehr. Die pflegenden Angehörigen können keine Freizeit genießen, außer natürlich mit den Erkrankten gemeinsam.
WZ: Wie empfinden die Angehörigen diese Situation?
Menge: Ihr eigenes Leben tritt absolut in den Hintergrund. Viele hatten Pläne, wie sie ihre Zeit als Rentner verbringen, und dann gibt es unglaublich viel ungelebtes Leben.
WZ: Sie suchen Ehrenamtliche, die die Angehörigen stundenweise entlasten und wollen sie auf ihre Aufgabe vorbereiten. Worauf müssen die Helfer sich einstellen?
Menge: Sie treffen auf einen Menschen, der je nach dem Stadium seiner Erkrankung unruhig ist, ständig Fragen stellt und sich wiederholt. Das logische Denken nimmt mit dem Fortschreiten der Krankheit ab. Es sind noch viele Informationen da, aber sie werden nicht mehr zusammengefügt. Da kann es auch passieren, dass ein erkrankter Mensch in einem unbeobachteten Moment den elektrischen Wasserkocher auf die Herdplatte stellt.
WZ: Welche Voraussetzungen muss ein ehrenamtlicher Helfer mitbringen?
Menge: Er muss vor allem Interesse an Menschen haben und er muss bereit sein, sich auf den Erkrankten einzulassen. Das heißt auch, dass er sich auf dessen Realität einlässt, also nicht versucht, ihn zu verbessern, sondern ihn dort lässt, wo er steht.
WZ: Was wollen Sie Interessenten in der Schulung vermitteln?
Menge: Sie lernen Grundlagen der Krankheit kennen und den Umgang mit schwierigem Verhalten, sie werden auf die Gefühlswelt der Erkrankten vorbereitet und erhalten Tipps für Beschäftigungen.
WZ: Wie kommen pflegende Angehörige und Ehrenamtler zusammen?
Menge: Wir von der Alzheimer Gesellschaft vermitteln sie. Ich kenne ja viele Familien. Das erste Treffen von Helfer, Angehörigen und Erkrankten begleiten wir. Alle müssen ja auch schauen, ob die Chemie zwischen ihnen stimmt.
WZ: Wie sieht eine Betreuung dann aus?
Menge: Die Helfer kommen, um mit den Menschen Zeit zu verbringen, zu singen, Ausflüge zu machen oder zu spielen. Das hängt ganz von den Interessen der Erkrankten ab.
WZ: Ist die Aufgabe zu bewältigen?
Menge: Ja. Man stellt sich ja immer schwerkranke Menschen vor. Das ist natürlich so, aber es gibt vor allem ganz viel Normalität. Außerdem ist manchen Menschen bewusst, dass sie erkrankt sind. Wenn sie Vertrauen entwickeln, gehen sie auch mal offen mit ihren Defiziten um. Ansonsten helfen wir den Erkrankten bei der Aufrechterhaltung der Fassade.