Denkmäler in Meerbusch Osteraths Bahnhof steht zum Verkauf

Meerbusch · Das Gebäude an den Eisenbahnschienen hat eine lange, wechselvolle Geschichte hinter sich.

Mit dieser alten Postkarte vom Osterather Bahnhof hat Anni Schmitz ihren Bruder gegrüßt.

Foto: Repro Kunze

Was der Immobilienmakler Michael Heymanns als „Osterather Traditionshaus“ und „Historische Gaststätte mit Gästezimmern“ anbietet, hat es in sich. Besser beschrieben wäre das denkmalgeschützte Objekt an den Schienen zwischen den Schranken am Bahnhofsweg als der alte Osterather Bahnhof, denn die Gaststätte selbst ist kaum historisch zu nennen, wohl aber die ursprüngliche Nutzung.

Auf 431 Quadratmetern Gesamtfläche finden sich 192 Quadratmeter Gastronomie und 60 Quadratmeter Lager im Erdgeschoss sowie vier Gästeappartements im umgebauten Obergeschoss. Das Objekt wird online für 899 000 Euro angeboten.

Als am 26. Januar 1856 die „Cöln-Crefelder Eisenbahn“ den Betrieb aufnahm und der erste Zug durch Osterath rollte, war es erst 20 Jahre her, dass die erste deutsche Eisenbahn „Adler“ die zwölf Kilometer von Nürnberg nach Fürth zurückgelegt hatte und Ärzte debattierten, ob die rasante Geschwindigkeit von bis zu 30 Stundenkilometern schädliche Folgen für die Psyche der Fahrgäste und Passanten haben könnte. Es handelt sich also um eine der frühen Strecken, die in diesem Fall Neuss und Krefeld mit der rheinischen Metropole Köln verbanden und schon bald weitere Verbindungen mit dem explodierenden Streckennetz erhalten sollten – Osterath wurde zum linksrheinischen Eisenbahnknotenpunkt.

Das Bahnhofsgebäude wird schon zur Eröffnung der Trasse vom Ortschronisten Theodor Holzschneider erwähnt. Neben Büro- und Schalterraum gab es eine Wartehalle und im Obergeschoss Dienstwohnungen für das Bahnpersonal. Die Gastronomie kam erst viel später, als der Bahnhof seinen eigentlichen Zweck verlor und eine anderweitige Nutzung nötig wurde.

Unter der verrottenden Fassade steckt ein wertvolles Gebäude

Auch das Gebäude selbst veränderte sich. Nachdem in den 1960er Jahren mehrfach ein Abriss erwogen wurde, weil das in die Jahre gekommene Gebäude nicht mehr so recht zu der aufstrebenden, modernen Landgemeinde passen wollte, wurden diese Pläne zuletzt aufgegeben: Der Bundesbahn fehlte das Geld für einen Neubau! 1974 hatte der Landeskonservator auf den Wert des Gebäudes als typisch für die Frühzeit des Eisenbahnbaus hingewiesen und die Unterschutzstellung angestoßen. Denn unter der Fassade des „Westernbahnhofs“ verbirgt sich ein klassischer Bahnhofsbau aus Backstein im Erdgeschoss und Fachwerk im Obergeschoss.

Ab 1975 nutzte der Theater-Workshop „Eule“ der Volkshochschule den alten Bahnhof und seit 1989 gibt es hier Gastronomie mit Biergarten und seit 2011 auch Fremdenzimmer. Das ganze Gelände umfasst 1077 Quadratmeter und war ursprünglich Teil einer imposanten Bahnhofsanlage.

Was 1855 mit einer eingleisigen Strecke begann, mauserte sich zu einem Bahnhof mit acht Gleissträngen, die genug Raum zum Rangieren boten und zusätzlich die Osterather Fabriken mit eigenen Gleisen an das Schienennetz anbanden. An der Ladestraße entstanden zudem 1893 Güterschuppen und nach dem Zweiten Weltkrieg das Getreidesilo, die heute noch von der Industriegeschichte Osteraths künden. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Anlage überregionale Bedeutung, die sich in den beiden Weltkriegen noch deutlich steigerte.

Damals gab es sogar Pläne, die Bahntrasse sechsgleisig zu führen und im Bereich der Feuerwehrwache am Ingerweg einen 15-gleisigen Güterbahnhof zu bauen. Auch sollte die ganze Trasse höhergelegt werden, um die schienengleichen Bahnübergänge zu beseitigen.

Eine besondere Episode war die Nutzung des Osterather Bahnhofs 1923 als Stützpunkt der belgischen Regie-Bahn. Wegen des Generalstreiks und des sogenannten „Ruhrkampfes“, die vor genau 100 Jahren die Hyperinflation in der Weimarer Republik auslösten, übernahmen belgische und französische Besatzungssoldaten den Eisenbahnbetrieb, um weiterhin über Osterath Reparationen aus dem Ruhrgebiet an die Siegermächte des Ersten Weltkrieges zu liefern.

Mit dem Ende der Osterather Industrie, die heute fast ganz Wohnbebauung, Handel und Gewerbe gewichen ist, büßte auch der Bahnhof an Bedeutung ein. Gleisanlagen wurden rückgebaut und moderne Stellwerke und Ticketautomaten errichtet, einen gewärmten Aufenthaltsraum sucht der Bahnreisende heute vergebens und selbst die seit rund 100 Jahren geforderte Unterführung ist 2022 wieder in weitere Ferne gerückt.