Hannelore Bauch hält ihre Lebensgeschichte in selbst gestalteten Heften fest
Die in Lank-Latum lebende 89-Jährige beschreibt in Wort und Bild unter anderem, wie ihre Schulzeit aussah und wie sie den Zweiten Weltkrieg miterlebte.
Hannelore Bauch war zehn Jahre alt, als die Großmutter rief: „Wir haben Krieg.“ Das war am 1. September 1939. Diese und auch die Erinnerung an die Schulzeit hat die heute 89-Jährige in betexteten Zeichnungen festgehalten. „Das ist Allgemeinwissen“, lautet ihr Kommentar. Die dreifache Mutter ist nach dem Tod ihres Mannes 2013 in ein Appartement im Malteserstift Lank-Latum und damit in die Nähe ihrer jüngsten Tochter gezogen.
Im thüringischen Altenburg geboren, heiratete Hannelore Bauch 1948. Noch am Hochzeitstag ging sie mit ihrem Mann über die Grüne Grenze in den Westen: „Das war sehr aufregend“, sagt sie.
In ihrem „neuen Leben“ unter anderem in Darmstadt und jetzt in Meerbusch nutzt Hannelore Bauch die bereits in der Kindheit geliebte Zeichenkunst, um Erlebnisse in Bildern und Texten einzufangen. So erfährt der Betrachter dieser Aufzeichnungen, dass nach der Kriegserklärung alles Wissenswerte aus dem Volksempfänger ertönte, Zigaretten ein beliebtes Tauschobjekt waren, die Fenster bei Fliegerangriffen abgedunkelt werden mussten und „nur der Mond nichts vom Krieg wissen wollte.“
Aus Gardinen, Wolldecken und Tischdecken wurde neue Garderobe geschneidert und in den Schulferien halfen die Kinder im Lazarett, das in der ehemaligen Schule untergebracht war: „Wir wickelten gewaschene Mullbinden für neue Verbände.“
Auch die Schulzeit hat Hannelore Bauch dokumentiert. Unter dem Titel „Zuckertüte“ ist der Ranzen — „er war immer aus Leder“ — samt Schiefertafel, Schwammdose, Fibel und Butterbemme (thüringisch für Butterbrot) zu sehen. Oder das Leibchen mit den Strumpfhaltern „für die langen Rippelstrümpfe“ sowie die Information, wie die große Pause auf dem Schulhof verlief: „Wir mussten Schürzen tragen und gingen immer zu zweit im Kreis herum. Der Lehrer hatte die Aufsicht und stand in der Mitte“.
Auf die in kleinen schwarzen Heften gesammelten betexteten Illustrationen der Schul- und Kriegserlebnisse ist Inge Grosse, ehemalige Lehrerin der Pastor-Jacobs-Schule, aufmerksam geworden. Beim Einordnen ihrer Sammlung „Schule früher“ in die Vitrinen des Malteserstifts zeigte ihr die Seniorin eins der „Zuckertüten“-Exemplare: „Eine Kopie liegt jetzt bei meiner Mini-Ausstellung.“
Hannelore Bauch, die ihrem Leben in Darmstadt ein wenig nachtrauert, hält auch heute noch aktuelle Bilder des Alltags fest. Sie malt Weihnachtspostkarten, auf denen das Christkind auf dem Wasserturm sitzt und bastelt aus Filzresten kleine Puppen, die ihre Besucher darstellen. „Alle erkennen sich“, freut sich die interessierte Seniorin. Sie kann sich nicht vorstellen, „einfach nur rumzusitzen“.
Und so hält sie auch die Politik per Handarbeit fest, setzt den US-Präsidenten auf ein Fahrrad, das eine Rikscha zieht, in der die deutsche Bundeskanzlerin Platz genommen hat. „Die Ideen kommen einfach so“, erzählt sie. Ihre an Kinder und Enkelkinder vererbte Kreativität hat sie bereits in Darmstadt ausgelebt. Dort ist ein Kunstheft mit bunten Bildern des Alltags im Stadtteil Bessungen erschienen. „Es gab auch Ausstellungen mit meinen Arbeiten“, ergänzt Hannelore Bauch bescheiden. Dass sie altersbedingt geringe körperliche Einschränkungen hinnehmen muss, gefällt ihr gar nicht: „Ich wäre gern beweglicher.“ Aber das Zeichnen fällt ihr noch immer leicht: „So kann ich alles, was ich erlebe und was mich bewegt festhalten.“