Frist für Hausbesitzer läuft ab Kanalprüfung: In Meerbusch sind Abzocker unterwegs

Bis Ende 2020 müssen viele Abwasserleitungen auf ihre Dichtheit überprüft werden. Doch das nutzen Betrüger aus.

Mit einer Kamera untersucht Fachmann Engelbert Gerling die Abwasserleitung.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Die ältere Dame war den Tränen nahe. 1593,41 Euro sollte sie bezahlen für die Reinigung der Abwasserleitungen in ihrem Haus in Ilverich und die anschließende Dichtheitsprüfung. Angelockt von einem günstigen Lockpreis stellte sie zu spät fest, dass sie auf sogenannte Kanal-Haie reingefallen war.

Das sind Firmen, die bundesweit unterwegs sind und gegen eine günstige Pauschale eine Leistungsüberprüfung der Kanäle anbieten und dann – meist ohne jegliche Nachweise – mitteilen, dass die Abwasserleitung in einem desolaten Zustand sei und saniert werden müsse. Sonst drohten hohe Strafen wegen Umweltverschmutzung. „Im Sanierungsangebot über mehrere tausend Euro sind dann häufig Wucherpreise angesetzt“, sagt Raphael Bahners vom Fachbereich Straßen und Kanäle der Stadtverwaltung. „Und dies nicht selten für unnötige und unsachgemäße Leistungen.“ Wer sich hier überrumpeln lasse, zahle leicht doppelt. Denn: Pfusch bei der Sanierung kann teuer werden, weil unter Umständen sowohl die Prüfung als auch die gesamte Sanierung wiederholt werden müssten. Besonders dreist: Manche „Kanal-Haie“ geben sogar vor, dass sie im Auftrag der Stadt Meerbusch unterwegs sind.

In ihrer Verzweiflung hat die betroffene Hausbesitzerin aus Ilverich Hilfe bei Engelbert Gerling gesucht. Der Büdericher Sanitär- und Heizungsbaumeister sowie Gebäude-Energieberater ist mit seinem Betrieb seit neun Jahren beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) als „vertrauenswürdige und sachkundige Firma“ für Dichtheitsprüfungen gelistet. Für den Sachkundenachweis muss der Betrieb regelmäßig eine Art Tüv-Check bestehen.

Reinigung und Prüfung sollten nicht mehr als 500 Euro kosten

Gerling erinnert sich an den Fall in Ilverich: „Die Dame war völlig aufgelöst“, erzählt er. „Denn zusätzlich konnte ich beweisen, dass die Firma lediglich den Kanal gereinigt, aber im Anschluss gar keine Dichtheitsprüfung gemacht hatte.“ Schließlich kümmerte sich der Meerbuscher Handwerker um das Problem. „Ich habe mit der Firma ausgehandelt, dass die Frau am Ende 600 Euro für die Reinigung bezahlt hat, das war’s.“

600 Euro – das ist immer noch viel Geld. Denn der realistische Preis für die Reinigung und die anschließende Prüfung der Schmutzwasserleitungen in einem Einfamlienhaus liege bei rund 350 bis 500 Euro. „Aber die Dame war froh, dass sie noch halbwegs heil aus der Nummer rausgekommen ist“, sagt Gerling. Er empfiehlt, vorher mehrere Angebote einzuholen.

Zurzeit ist das Thema Dichtheitsprüfung wieder so aktuell, weil Ende 2020 ein Frist abläuft, die für alle Abwasserleitungen gilt, die nach dem 1. Januar 1965 in Wasserschutzzonen verlegt wurden. Was viele Haubesitzer nicht wissen: „Jeder Eigentümer ist verpflichtet, den ordnungsgemäßen Zustand seiner Abwasseranlagen selbst zu überwachen“, erklärt Michael Assenmacher, Technischer Beigeordneter der Stadt Meerbusch. „Kanalbetreiber“ im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes sind demnach nicht nur die Kommunen sowie Gewerbe- und Industriebetriebe, sondern auch die privaten Grundstückseigentümer.

Manche Hausbesitzer wissen aber gar nicht, ob ihr Haus in einer Wasserschutzzone liegt. Fachleute wie Engelbert Gerling haben entsprechende Listen. Auch auf der Internetseite der Stadt (www.meerbusch.de, Suchwort Dichtheitsprüfung) gibt es solche Straßenlisten. Gerling: „In Meerbusch sind die Wasserschutzzonen groß. Außer Büderich, Nierst und Langst-Kierst sind Wohngebiete in allen Stadtteilen betroffen.“

Ein sachgemäßer Check der Abwasserleitungen dauert rund zwei bis drei Stunden. Danach bekommt der Hausbesitzer eine CD mit den Aufnahmen und ein Protokoll ausgehändigt. „Die Prüfung währt 30 Jahre“, sagt Gerling, der grundsätzlich vorab mit seinen Kunden Festpreise vereinbart.

Was ihn aktuell verärgert: Der Verband „Haus und Grund Düsseldorf“ hatte zuletzt bei vielen Hausbesitzern für Verwirrung gesorgt, weil er in der März-Ausgabe von „Haus und Grund“ angekündigt hatte, dass das Gesetz zur Dichtheitsprüfung in NRW bald geändert werden solle. Nun warten viele Eigentümer ab, weil sie hoffen, doch noch um die Prüfung herum zu kommen. Gerling befürchtet, dass sich dann die Aufträge zum Ablauf der Frist knubbeln. „Denn bis Ende 2020 klappt das mit der gesetzlichen Neuregelung nie.“