Jugendamt nahm im Jahr 2014 mehr Kinder in Obhut
Insgesamt gab es mehr als doppelt so viele Schutzmaßnahmen wie im Vorjahr.
Die Stadt Meerbusch hat im vergangenen Jahr Kinder und Jugendliche insgesamt 186 Tage in Obhut genommen; 2013 waren es nur 91 Tage. Insgesamt ergriff das Jugendamt mehr als doppelt so viele Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche wie 2013. Waren es damals sieben Maßnahmen, kletterte ihre Zahl im vergangenen Jahr auf 16. Auch die Sorgerechtsentzüge durch das Familiengericht sind 2014 von fünf auf sieben Fälle gestiegen. Allerdings liegt Meerbusch dabei immer noch deutlich besser als der Landesdurchschnitt: In Meerbusch kommt es pro Einwohner nur zu halb so vielen Schutzmaßnahmen und Inobhutnahmen wie im NRW-Schnitt.
Das statistische Landesamt NRW verzeichnet ein Plus bei Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche von 7,7 Prozent. Der Anstieg ist laut Landesamt maßgeblich auf die Zunahme der Zahl von unbegleiteten Einreisen aus dem Ausland zurückzuführen.
Bei den Sorgerechtsentzügen gab es im vergangenen Jahr drei Fälle, in denen das Sorgerecht vollständig auf das Jugendamt übertragen wurde, 2013 gab es keinen Fall. Die Zahl der teilweisen Sorgerechtsentzüge sank von fünf auf vier Fälle. Dabei handelt es sich meistens um Aufenthaltsbestimmungen, Vermögensversorgung oder Gesundheitsvorsorge. Sorgerechtserklärungen stiegen 2014 um 27 auf 78 Fälle. Angela Römmler-Graf von der Kinder- und Jugendförderung der Stadt Meerbusch erklärt: „Sorgerechtsentzüge entstehen aus Gefährdungssituationen und sind insoweit nicht steuerbar.“
Peter Annacker, Jugendamtsleiter, erklärt, warum die Sorgerechtserklärungen zugenommen haben: „Es gibt immer mehr Väter, die auch Verantwortung für die Erziehung des Kindes übernehmen möchten — auch wenn sie nicht mit der Mutter verheiratet sind.“ Dazu müssen sie die Sorgeerklärung ausfüllen.
Den starken Anstieg bei Schutzmaßnahmen erklärt Peter Annacker so: „In den Zahlen ist ein minderjähriger unbegleiteter Jugendlicher enthalten, bei dem ein normales Verfahren nicht möglich ist.“ Normalerweise sei es so, dass eine Inobhutnahme so lange anhält, bis Hilfe zur Erziehung organisiert wird, oder das Kind dem Sorgeberechtigten übergeben wird. „Durchschnittlich sind das maximal zehn Tage“, sagt Annacker. Innerhalb kürzester Zeit werde mit den Eltern ein Gespräch zur Klärung des Falls geführt.
Die Gründe für eine Inobhutnahme seien verschieden. Annacker: „Manchmal ist es Gewalt in der eigenen Familie. Wenn es zu körperlicher Gewalt kommt und die Polizei oder das Jugendamt befindet, dass die Kinder gefährdet sind, werden sie aus den Familien herausgeholt.“ Ein anderer Grund seien verwahrloste Zustände in der Wohnung. Die Kinder kommen erst zurück, wenn der Zustand geändert wurde.
Sind die häuslichen Missstände aber so groß, ist vielleicht sogar Drogen- oder Alkoholmissbrauch der Eltern im Spiel, oder sie aus einem anderen Grund nicht in der Lage sind, den Haushalt zu führen, greift das Jugendamt ein. „Denn dazu gehört nicht nur, die Wohnung sauber zu halten, sondern auch, dem Kind Regeln zu geben“, erklärt Annacker. Bisweilen sei es aber auch genau das, was dazu führt, dass das Jugendamt eingeschaltet wird. Annacker: „Manchmal ,flüchten’ Kinder. Das ist dann der 14-Jährige, der nicht einsehen will, dass die Eltern ihn maßregeln und er beispielsweise um 24 Uhr zu Hause sein soll.“ Allerdings gebe es mehr Meldungen von Kindeswohlgefährdungen, als tatsächliche Fälle. „Meldungen kommen oft von besorgten Bürgern, resultieren manchmal aber auch aus einem Nachbarschaftsstreit. Das kann man dann meistens klären“, sagt der Leiter des Jugendamtes. Aber auch von Kindergärten oder Schulen kämen Meldungen. Zwischen 40 und 50 Hinweise gebe es pro Jahr, sagt Annacker. Genau diese Aufmerksamkeit sei auch wichtig. „Wir sind angewiesen auf Meldungen von solchen Institutionen, da sie täglich mit den Kindern zu tun haben und direkt sehen können, ob etwas nicht stimmt. Und wir sind auch darauf angewiesen, dass die Gesellschaft sensibel reagiert.“