Künstlerin erzählt historische Geschichten

Meerbuscher Malerin Johanna Wiens stellt unter anderem im öffentlichen Raum in Essen aus.

Foto: Götz

Johanna Wiens nimmt den Begriff vom roten, sich durch eine Sache ziehenden Faden wörtlich. Er ist in ihren Arbeiten Symbol für die Auseinandersetzung mit der Geschichte, für die Thematik, die sie in „hochgradig malerischer Qualität“ auf ihre ganz persönliche Weise künstlerisch umsetzt. Damit leistet die Meerbuscher Künstlerin Erinnerungsarbeit: „Mit dieser Erinnerung schaffe ich Identität.“

Das gilt nicht nur für ihre Werkserie „Das verlorene Gedächtnis“ zum Einsturz des Historischen Archivs in Köln. Es trifft unter dem Titel „Das Gedächtnis der Städte“ auch auf das Europa-Gemälde zu. Johanna Wiens nennt die Arbeit „Aneurysma“, zeigt das niedergestreckt liegende Europa in einem OP-Saal, umgeben von papierenen Zeitzeugen der europäischen Geschichte. Und über allem schwebt symbolträchtig ein goldener Phönix. Aktuell in Arbeit aber ist „Susanna“, ein Ölbild, zu dem sie vom Essener Zonta-Club — Frauen setzen sich international für die Verbesserung der Lebenssituationen von Frauen ein — animiert wurde. Auch dieses Werk lebt vom ganzheitlichen Verständnis, das die Künstlerin in ihre ausgearbeiteten Darstellungen einfließen lässt: „Es ist Geschichte mit persönlichem Bezug.“

Im Gegensatz zu den Darstellungen diverser in die Geschichte eingegangener Frauen — wie Sophie Scholl, Anne Frank oder Katharina die Große — steht die Tür ins Ungewisse: „Jede Frau muss ihren Weg finden.“ Das Bild lebt von zahllosen collageartig angeordneten Fragmenten und lässt den Betrachter nicht mehr los. Aber das Thema hat auch die Künstlerin beeinflusst: „Die Bilder, die ich vor mir hatte, haben sich festgesetzt. Ich musste mich philosophisch mit ihnen auseinandersetzen und sie malen.“

Unvollendet stand „Susanna“ im November im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion zum Thema Gewalt gegen Frauen und Kinder im Landgericht Essen. Christian Pfeiffer, Referent und namhafter Kriminologe, empfahl dem Landgericht, das Bild zu erwerben. Wenn also im Büdericher Atelier die letzten Pinselstriche getrocknet sind, wird das Gemälde im Wert von knapp 25 000 Euro im Landgericht Essen hängen. Dort befindet sich seit 2016 auch das ebenfalls von Johanna Wiens erstellte Triptychon „Justitia. Wandel der Zeit. Cosmas und Amian“, von der Sparkasse Essen erworben und dem Landgericht Essen als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt.

Dass ihre Kunst öffentlich ist, freut Johanna Wiens. Damit erfüllt sich ihr Anspruch, „Bedeutung, Erkenntnis sowie von Menschen in Wort und Bild hinterlassene Gefühle und Gedanken zu sichern und auszuwerten.“ Die Begeisterung für die Geschichte hat der Vater vermittelt: „Ich hatte mehr Geschichtsbücher als Spielzeug und bei meinen Kindern ist das jetzt ganz ähnlich.“

Für Anfang 2018 planen die mit der Meerbuscher Künstlerin zusammenarbeitenden Galerien eine Ausstellung auf internationaler Ebene. Jetzt aber hat sie ihre Kunst erst einmal dem Benefiz-Projekt „Oberkasseler Opernball“ zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zur Verfügung gestellt: „Aktuell sind insgesamt rund 20 000 Euro zusammengekommen.“