Meerbusch Künstlern über die Schulter geblickt

Osterath. · Die idyllische Künstleroase in Osterath ist selbst bei vielen Anwohnern unbekannt. Doch es gibt Führungen an den unbekannten Ort.

Theo Esser (l.) und  Claudia Kuhs (2.v.l.) führen die Besucher durch die Ateliers im Haus Kirschbaum.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Claudia Kuhs ist Stadtführerin und freut sich, endlich wieder Touren durch Meerbusch und Düsseldorf anbieten können. „Viele Menschen sehen zurzeit nur die Verbote und wissen gar nicht, was alles läuft. Das ist schade, denn Führungen sind auch mit den Corona-Vorschriften gut machbar.“ Und das bewies sie am Samstag einer Gruppe, die sie zu Meerbuscher Kunstorten führte.

Voller Elan startete die Gruppe an der Straßenbahnhaltestelle Kamperweg in Osterath. Nach einer kleinen Einführung ging es direkt zum Atelier von Bildhauer Ben Stuurman am Kalverdongsweg 82, wo sie der Künstler schon in seinem Skulpturengarten erwartete. Dort gab es so viel zu entdecken, so dass man erstmal gar nicht wusste, wo man hinschauen sollte. Vorsichtig wurden die Figuren betastet, um die unterschiedliche Beschaffenheit der Steine zu fühlen. Bei einigen Werken gab der Bildhauer Tipps zur Betrachtung. „Diese Skulptur kann man von vorne und von hinten betrachten, aber erst, wenn man sie sich in der Diagonale anschaut, sieht man das Ganze“, erklärte er. Fragen beantwortete Stuurman gerne und auch in sein Atelier lud er ein. „Man merkt, dass Stuurman ein Vollblutbildhauer ist“, sagte eine der Besucherinnen.

Aber nicht nur der Künstler hatte viel zu erzählen. Auch Kuhs hatte einige spannende Geschichten parat. „Das Haus, in dem Stuurman wohnt, war das Jagdhaus des Seidenbarons Von der Leyen.“ Ihr Wissen über Meerbusch ist groß. „Meerbusch hat ein Alleinstellungsmerkmal in Sachen Kunst. Es gibt eine Masse an Künstlern, die hier tätig waren und sind, allen voran Ewald Mataré, mit dem alles begonnen hat.“

Und schon holte sie die nächste Anekdote aus ihrem Nähkästchen. „Die Steine aus der Domtür im Kölner Dom stammen aus Meerbusch. Joseph Beuys holte diese aus dem Badezimmer der zerbombten Villa Marein in Alt-Meererbusch.“

Es ging weiter zum Kreativhaus im Kirschbaum. Ein Ort, den selbst eingesessene Osterather meist nicht kennen. So wie auch die Gruppe am Samstag. Alle stammten aus Bovert, waren bisher aber weder bei Stuurman noch im Atelier im Kirschbaum. Manfred Einig fand es deshalb spannend, diese neuen Orte zu entdecken. „Ich fotografiere gerne und bin jetzt viel öfter im Umland unterwegs, um neue Dinge zu entdecken. Fotografie ist für mich Kunst und hier kann ich mich inspirieren lassen“, sagte er. Die Entdeckung der Heimat ist auch bei ihren Führungen im Trend, meinte Kuhs. „Statt Touristen buchen jetzt hauptsächlich Einheimische die Stadtführungen. Sie erkunden die Heimat statt zu urlauben.“

Weg zum Kreativhaus erinnert
an einen Pfad in Südeuropa

Schon der Weg zum Kreativhaus am Ivangsweg 7 versetzte einen in eine andere Welt. Über einen Trampelpfad, der an einen Weg in Südeuropa erinnert, kommt man in eine kleine Idylle. Das Haus, in dem die Künstler arbeiten, ist von Kirschbäumen umgeben. Hühner laufen frei herum, Gemüse wächst und Wein rankt am Haus. Die Künstler, Ellen Rhein (Keramik), Theo Esser (Holz), Michael Rothert (Acrylmalerei) und Martin Rhein (Fotografie) empfingen die Besucher mit kalten Getränken und erzählten ein wenig über sich und ihre Kunst. Gemeinsam, aber jeder auf seine eigene Art und Weise, würden sie nach dem Schönen suchen, erklärte Rhein.

In Kleingruppen und mit Mundschutz konnten sich die Besucher dann die Ateliers genauer anschauen und mit den Künstlern plauschen. Rhein demonstrierte ihre Arbeit an der Töpferscheibe und fertigte auf Wunsch auch eine schiefe Tasse. Schreinermeister Esser zeigte, wie er mit einer ungewöhnlichen Vorgehensweise schöne aber auch nützliche Dinge aus Holz fertigt. „Mir ist Achtsamkeit sehr wichtig. Die Interpretation meiner Werke ist für jeden frei. Ich bin kein Diktator“, sagte er. Im Fotostudio von Martin Rhein konnte die Besucher Portraits und Landschaftsfotos finden, während es bei Rothert abstrakt zugeht.

Das Kreativhaus ist für die Künstler ein Wohlfühlort. „Das hier ist das Leben, das ich immer wollte, ohne jeglichen Leistungsdruck“, meinte Esser. Über der Oase hängen jedoch dunkle Wolken. Die Besitzerin des Hauses hat den Künstlern das Objekt zur Nutzung großzügig überlassen. Sollte das Gelände aber wie geplant bebaut werden, werden die Künstler ihre Wirkungsstätte verlieren. Aber bis dahin freuen sie sich über ihre Besucher, die sicherlich kommen werden.