Leben am Rhein Deich ist ein „Jahrhundertwerk“
Für die Pflege des Bauwerks ist in Meerbusch der Deichverband zuständig.
Die Katastrophe geschah vor hundert Jahren: Der Damm in Büderich hält den Wassermassen des Rheins nicht mehr stand: Das Schleusenbauwerk wird förmlich weggesprengt. Vom Büdericher Ufer bahnt sich das Wasser seinen Weg über Ilverich und Langst-Kierst bis Nierst. Die Dörfer werden komplett überschwemmt. Ebenso die niedrigeren Ortsteile von Lank, Latum und Strümp. Die Webergasse in Lank steht unter Wasser. Einige Landwirte können ihr Vieh noch rechtzeitig in höher gelegenen Ortsteilen in Sicherheit bringen, aufgescheuchte Hühner flüchten sich auf Bäume.
So schildern Zeitzeugen in archivierten Aufzeichnungen, was im Januar 1920 passierte. Unmittelbar danach wurde der Deich in vielen Abschnitten erhöht und verbreitert. Das erklärt, warum das eigentliche Jahrhunderthochwasser am Neujahrstag 1926 in Meerbusch deutlich weniger Schaden anrichtete. Obwohl die Wasserhöhe mit 11,10 Meter noch einmal 21 Zentimeter höher war. Heute erinnern Hochwassermarken an einigen Häusern in Meerbusch an den Rekord-Pegel. „Wir sind hier in Meerbusch sehr sicher, was die technischen Möglichkeiten in Sachen Hochwasserschutz angeht“, sagt Deichgräf Christof Cames. „Obwohl es absolute Sicherheit im Zusammenspiel mit der Natur nie geben kann.“ Die Meerbuscher Rheindeiche wurden erst Anfang der 2000er Jahre über mehrere Jahre hinweg für viele Millionen Euro saniert. „Ein Jahrhundertbauwerk“, sagt Cames, der seit fünf Jahren Deichgräf des Deichverbands Meerbusch-Lank ist.
Der Aufwand ist gerechtfertigt: Die Deiche schützen die Menschen, deren Häuser und die Infrastruktur wie Straßen und Bahnlinien. „Insofern ist es preiswerter, einen stabilen Deich zu errichten, als nach einem Hochwasser alles neu aufzubauen.“ In Meerbusch gewährleisten zwei Deichverbände den Rhein-Hochwasserschutz: Neben dem Deichverband Meerbusch-Lank (für die Rheingemeinden, Lank, Strümp und Gellep-Stratum) ist das die Neue Deichschau Heerdt (für Büderich).
Deichgräf wird erst ab
acht Metern hellhörig
Als der Rhein zuletzt Anfang Februar mal wieder so viel Wasser führte, dass es für Spaziergänger eine Riesenattraktion war und die Rheinfähre Langst-Kierst ihren Saisonstart verschieben musste, blieb der Deichgräf gelassen. „Wir werden erst ab etwa acht Meter hellhörig“, erzählt er. Der Pegel stand am 7. Februar aber bei „nur“ 7,51 Meter. Regelmäßig fährt Cames den Deich auf der gesamten knapp acht Kilometer langen Strecke ab und kontrolliert, „ob alles gut passt“. Bei Hochwasser schaut er sich außerdem genau an, wie das Wasser läuft: „Was es etwa mit dem Deich macht und wo es möglicherweise Probleme gibt, beispielsweise wegen Ausspülungen“, erklärt Cames. Das neue Deichtor am Rheinhotel werde erst ab zehn Metern geschlossen. Seit der Fertigstellung vor zehn Jahren ist das bislang aber nur bei Übungen geschehen. Dann allerdings müssen gleich mehrere Mann anpacken und die stabilen Aluminiumwände ineinander schieben. Zu den Aufgaben des Deichverbands gehört aber nicht nur der Hochwasserschutz, also Pflege, Kontrolle und Sanierung des Deichs. „Wir sind auch für die Gewässerunterhaltung zuständig“, sagt Cames. Heißt: Dafür zu sorgen, dass sämtliche Bachläufe im Verbandsgebiet, das sind etliche Kilometer, jederzeit frei sind. „Die Gräben müssen piccobello sein, um das Wasser gut Richtung Rhein führen zu können“, erklärt er. Aktuelles Projekt des Deichverbands in diesem Zusammenhang ist die Renaturierung des Langenbruchbachs. Dessen Schleuse war beim jüngsten Hochwasser geschlossen, damit das Rheinwasser nicht umgekehrt in den Bachlauf gelangen konnte. „Wir werden den Verlauf des Grabens auf einer Länge von 200 bis 300 Metern um rund 50 Meter verlegen und Auslaufflächen einrichten“, schildert der Deichgräf die Pläne. Der Rhein-Kreis Neuss hat die Maßnahme genehmigt, aktuell läuft die Ausschreibung. „In diesem oder im nächsten Jahr können wir starten“, hofft er.
In Meerbusch dient der Deich in erster Linie dem Schutz vor Hochwasser. Aber er ist auch Naherholungsgebiet. „Die Kosten für den durchgängigen Radweg von rund 380 000 Euro hat die Stadt getragen“, sagt Franz Jürgens, Geschäftsführer des Deichverbands. Dass der Deich als Ausflugsziel beliebt ist, sehen die Mitglieder des Deichverbands teilweise mit Sorge: „Immer wieder gibt es Probleme mit Rennradfahrern“, erzählt Deichgräf Cames. „Aber auch Spaziergänger, die zum Wasser wollen und dabei nicht die vorgesehenen Wege nutzen, schaden dem Deich.“ Denn so bilden sich Trampelpfade im Gras, die den Deich im schlimmsten Fall unterspülen. „Nur eine dichte Grasnarbe garantiert optimalen Schutz“, erklärt er. Mit wühlenden Kaninchen gebe es am Deich glücklicherweise weniger Probleme als anderswo. „Trotzdem müssen wir alle Hohlräume zumachen, weil Hunde im Kaninchenbau graben. Und jedes Loch kostet Geld.“