Dormagen spielt wie ein Absteiger
Bayer lässt bei der 22:33-Pleite Spritzigkeit und Aggressivität vermissen. Trainer Bohrmann kündigt Gespräche an.
Fünf Minuten waren gespielt nach der Pause, die Gäste hatten mit einem 0:5-Lauf Trainer Jörg Bohrmann zu einer frühen Auszeit gezwungen, da ergossen sich Spott und Häme über die Zweitliga-Handballer des TSV Bayer Dormagen: „Bundesliga drei, Bayer ist dabei“, sangen die „ASV-Supporter“ angesichts einer 22:11-Führung des ASV Hamm-Westfalen, der 25 Minuten später mit einem für die Dormagener eher schmeichelhaft ausgefallenen 33:22-Sieg (Halbzeit 17:11) seine Zwischenbilanz auf 19:3 Punkte aus den letzten elf Meisterschaftsspielen geschraubt hatte.
Nun neigen Fanklubs leicht zur Übertreibung. Doch angesichts der hilflosen Vorstellung, die große Teile des Dormagener Aufgebots über weite Strecken der Partie boten, könnten die Tage in der Zweiten Liga schneller vorbei sein für den Aufsteiger als gedacht. Sicher, in der mit 1603 Zuschauern gut gefüllten Westpress-Arena haben in dieser Saison schon gestandenere Zweitligisten den Kürzeren gezogen. Sicher, der ASV Hamm, mit einem 30:23-Sieg beim VfL Bad Schwartau bestens aus der WM-Pause gekommen, hatte sich „ganz genau auf Dormagen vorbereitet“, wie Trainer Kay Rothenpieler hinterher zugab. Sicher, die Hausherren boten 40 Minuten lang eine „fantastische Abwehrleistung“, wie der aus Gummersbach gekommene Wintereinkauf Jan-Lars Gaubatz nach seinem Heimdebüt feststellte.
Doch das alles erklärt und entschuldigt nicht die blutarme Vorstellung, die die Dormagener drei Tage nach dem leidenschaftlich erkämpften 20:19-Sieg im Abstiegsduell mit dem SV Henstedt-Ulzburg aufs Parkett brachten. Allein die Verteilung der Zeitstrafen in einer keineswegs ruppig geführten Partie spricht Bände: Sieben für die Hausherren, drei für den TSV Bayer zeigen deutlich, wo Aggressivität und kämpferische Einstellung zu Hause waren. Kein Wunder, dass der Aufsteiger zur Pause schon fast so viele Gegentore kassiert hatte wie am Sonntag im gesamten Spiel. Und wie sie vorne den vermeintlichen Vorteil der nummerischen Überzahl leichtfertig wegschenkten, zeigt, dass ein Großteil der Spieler nicht richtig bei der Sache war.
Das kann fatale Folgen haben. Nach der dritten zweistelligen Schlappe dieser Saison haben die Dormagener (-75) die mit Abstand schlechteste Tordifferenz aller sieben Klubs, die noch um den Ligaverbleib kämpfen. Und das kann angesichts der engen Punktabstände am Ende über Happy-End oder Abstieg entscheiden.
Jörg Bohrmann war offensichtlich nicht wohl in seiner Haut nach den sechzig Minuten. Seine gewohnt präzise Spielanalyse fiel eher weitschweifig und wenig stringent aus, ein Zeichen von Verunsicherung, die dem ehemaligen Erstliga-Profi sonst eher fremd ist. Vielleicht war ihm auch bewusst, dass er mit der taktischen Entscheidung, die Partie nicht mit seiner Stammformation zu beginnen, sondern Jonathan Eisenkrätzer, Robin Doetsch und Patrick Hüter an den Anwurfkreis zu schicken, sein Scherflein zu einer gewissen „Testspiel-Atmosphäre“ in den Reihen seiner Schützlinge beigetragen hatte. Es gab auch Lichtblicke: Der eingewechselte Max Jäger verhinderte mit neun Paraden in den letzten 25 Minuten eine höhere Schlappe. Nejc Poklar, mit 7/3 Toren bester Werfer auf Seiten der Gäste, zeigte in seinem zweiten Spiel, dass er durchaus eine Verstärkung sein kann. Und der erst (zu) spät auf die Platte geschickte Tobias Plaz kämpfte verbissen.
„Da werde ich wohl einige Einzelgespräche führen müssen“, kündigte Bohrmann an, dass es in den nächsten Tagen weniger närrisch als vielmehr ungemütlich zugehen dürfte.