Drogenhandel: Politik macht Druck
Die Stadt soll ihr Anti-Drogen-Konzept,das möglicherweise veraltet ist, auf den Prüfstand stellen.
Neuss. Reuschenberg, Derikum, und Gnadental: In diesen drei Stadtteilen haben Bürger laut CDU und Grünen in den vergangenen Monaten wiederholt beobachtet, dass auf Kinderspielplätzen mit Drogen gehandelt wurde — und Rauschmittel konsumiert wurden. Es sollen Maßnahmen her, um die Situation in den Griff zu kriegen, zum Beispiel mit erhöhter Präsenz von Polizei und Kommunalem Sicherheits- und Ordnungsdienst (KSOD). Hinzu kommt die Drogenproblematik rund um den Marienkirchplatz, die Anwohner seit Monaten beschäftigt. Jetzt fordert die Politik, das Anti-Drogen-Konzept der Stadt Neuss grundlegend auf den Prüfstand zu stellen und zu überarbeiten. Im Herbst soll es eine gemeinsame Sitzung von Jugendhilfe-, Sozial- und Hauptausschuss zum Thema geben. Dafür haben sich die Sozialpolitiker in ihrer jüngsten Ausschusssitzung ausgesprochen.
Zuvor gab Norbert Bläsing, Leiter der Neusser Drogenberatungsstelle (Drobs), im Sozialausschuss einen Überblick zur Arbeit seiner Einrichtung und der Drogen-Situation in der Quirinus-Stadt. Zwar bietet Drobs Beratung im gesamten Rhein-Kreis an. „Aber 50 Prozent unserer Klienten kommen aus Neuss“, sagt Bläsing. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr rund 600 Personen beraten, 487 davon intensiv. „55 Prozent suchten uns wegen Heroinabhängigkeit beziehungsweise anderen Opiaten auf, 18 Prozent wegen Cannabis, zwölf Prozent wegen Amphetamin und ähnlichem“, erklärt Bläsing. 115 der Intensivklienten seien unter 27 Jahre alt, grundsätzlich ließen sich jedoch Abhängigkeiten quer durch die Altersgruppen feststellen.
Im Vergleich zu den Vorjahren ist die Zahl der von Drobs intensiv Betreuten gestiegen. 2015 wurden laut Jahresbericht 466 Personen intensiv beraten, 2014 waren es 457 Personen. Die Dunkelziffer der Drogenkonsumenten ist allerdings deutlich höher. Zwar sind in Neuss laut Stadtverwaltung Streetworker im Einsatz, aber nicht von der Drobs und nicht mit ausschließlichem Schwerpunkt auf die Drogenproblematik („aufsuchende Arbeit“). Genau das ist ein Ansatzpunkt, den die Politiker aufgreifen möchten. Claudia Föhr (SPD) stellte im Sozialausschuss zum Beispiel die Frage, ob eine Ausweitung des Drobs-Angebots — speziell mit Blick auf aufsuchende Arbeit — sinnvoll sei.
Thomas Kaumanns (CDU) unterstrich, wie dringlich es sei zu handeln, auch mit Blick auf die Problematik im Marienkirchviertel. Durch den im Herbst verfassten offenen Brief von Anwohnern und Geschäftsinhabern an Bürgermeister Reiner Breuer kam das Thema auf die politische Tagesordnung, seither wird nach Lösungen gesucht. Laut Anwohnern habe sich die Lage gar verschlimmert.
Grundsätzlich könne ein „Maßnahmen-Mix“ helfen, um die Situation zu verbessern, erklärte Bläsing im Ausschuss. Dazu zähle auch aufsuchende und beratende Arbeit. Sozialdezernent Ralf Hörsken warf die Frage in den Raum, ob das Anti-Drogen-Konzept der Stadt noch zeitgemäß sei oder angepasst werden müsse. Sein Dezernat will nun Stellungnahmen zur Ist-Situation einholen — unter anderem von Polizei, KSOD und Streetworkern. Deren Klientel überschneidet sich schließlich laut Tobias Spange vom städtischen Presseamt zum Teil mit jener der Drobs.
In der gemeinsamen Sitzung von Jugendhilfe-, Sozial- und Hauptausschuss soll der Status quo bewertet werden. Dann wird es um ein verbessertes Anti-Drogen-Konzept für Neuss gehen. „Wir werden den Drogenkonsum nie ganz abstellen können“, betont Hörsken. „Aber wir können Verbesserungen erzielen.“ Die steigenden Zahlen in der Drogenberatung sind nicht das einzige Alarmsignal. Im vergangenen Jahr gab es im Rhein-Kreis laut Polizei fünf Drogentote, davon drei in Neuss. 2014 waren es kreisweit zwei Drogentote.