Evangelische Kirchengemeinden stehen offenbar vor der Fusion
Alle vier Gemeinden haben sich für Reformpläne offen gezeigt.
Neuss. Mit Teilungsbeschluss vom 24. Juni 1963 wurden aus einer evangelischen Kirchengemeinde in Neuss vier, jetzt zeichnet sich ab, dass aus den vieren wieder eine wird. Pfarrer Sebastian Appelfeller vermeidet in öffentlichen Äußerungen das Wort „Fusion“ zwar geflissentlich. Viel lieber spricht der Vorsitzende des „Verbandes der evangelischen Kirchengemeinden“ mit aktuell 26 602 Gemeindemitgliedern von „vertiefter Zusammenarbeit“. Doch Fusion ist eine Option, über die ein von ihm auf Verbandsebene eingerichteter Arbeitskreis seit einem Jahr diskutiert. Appelfeller dementiert das nicht.
Ilka Werner, Appelfellers Vorgängerin im Amt, hatte schon vor fast zehn Jahren die Frage gestellt, ob Fusion nicht besser wäre als Kooperation und sich festgelegt: „Irgendwann werden wir nur noch eine evangelische Gemeinde in Neuss haben.“ Mit diesem Vorstoß holte sich Werner damals eine blutige Nase, doch die Lage hat sich seitdem geändert. „Weitermachen wie bisher, wäre töricht“, sagt Appelfeller. Er bezweifelt, dass die gegenwärtigen Strukturen noch die richtigen sind, um den Aufgaben, denen sich die Kirche in den nächsten 15 Jahren stellen muss, zu begegnen.
Der Abschlussbericht der von ihm angeregten Kommission ist in der Schlussredaktion und soll im November den Presbyterien in einer gemeinsamen Sitzung vorgestellt werden. Anfang 2017 soll nach Appelfellers Zeitplan feststehen, „ob und was wir an den Strukturen in Neuss verändern können“. Ein Erfolg aber sei schon die Beschäftigung mit dem Thema selbst, sagt er. Denn bei den auf ihre Souveränität bedachten Gemeinden konnte die Bereitschaft geweckt werden, miteinander über die Zukunft zu reden.
Die evangelische Kirche in Neuss ist in Bewegung. Das machen auch die Gespräch deutlich, die zwischen der Reformationskirchengemeinde (Furth) und der innerstädtischen Christuskirchengemeinde laufen. Die Presbyterien beider Gemeinden fassten den gleichlautenden Beschluss, auf der Ebene der Sachausschüsse zu klären, ob eine vertiefte Zusammenarbeit möglich ist. Eine abschließende Bewertung soll im Januar durch die beiden Führungsgremien der Gemeinden erfolgen.
„Es wird auf jeden Fall etwas passieren“, sagt Christuskirchen-Pfarrer Franz Dohmes. Etwas, das „auf eine Fusion hinauslaufen könnte“, wie er sagt. Doch diese „Zweiergespräche“ der Nachbargemeinden, stellt er klar, sollen die Bemühungen um eine Lösung auf Verbandsebene „nicht torpedieren.“ Das sieht auch Appelfeller so, der es naheliegend findet, wenn sich Nachbarn, die zum Beispiel bei der Kirchenmusik bereits kooperieren, unterhalten. Hinter dieser Unterhaltung steckt aber mehr als eine Plauderei über Kirchenmusik. Denn auf der Furth ist nach wie vor die Frage ungeklärt, welches der beiden Gemeindezentren aufgegeben wird — oder ob nicht sogar an einem dritten Standort gänzlich neu gebaut wird. Zur Klärung der Frage soll nun eine zweite Machbarkeitsstudie für den Standort Berliner Platz in Auftrag gegeben und ein studentischer Ideenwettbewerb ausgelobt werden.
Die gegenwärtigen Strukturen, fasst Sebastian Appelfeller zusammen, seien in einer Zeit des Überflusses an Mitgliedern und Geld gewachsen. Nun müsste man sich auf einen Mangel umzustellen beginnen. Vielleicht, sagt er, bietet das am 31. Oktober beginnende Jubiläumsjahr der Reformation einen Anlass für solche Debatten.