Jamie (11) ist ein waschechter Klassenclown

Während seine Freunde die Schulbank drücken, tritt Jamie im Circus Traber als Clown auf.

Foto: woi

Neuss. Sobald er den Manegenteppich betritt und die grellen Lichter seine Augen blinzeln lassen, ist Jamie in seinem Element. Wenn er den knallroten Anzug mit den goldenen Knöpfen und den verspielten Verzierungen überstreift, nennen sie ihn nur noch „Spaghetti“. Die Augenpartie bleichgeschminkt, die Frisur gegelt, das Lächeln perfektioniert. Mit elf Jahren hat der kleine, dünne Junge bereits eine der Königsdisziplinen in der Circuswelt zu stemmen: das Publikum als Clown zum Lachen zu bringen.

Wer denkt, Jamie ist der neue Star beim Circus-Traber, der in diesen Tagen auf der Furth weilt, liegt falsch. Denn schon seit seinem vierten Lebensjahr kennt er den Geruch des großen, bunten Zirkuszeltes in- und auswendig. Im zarten Alter von sechs Jahren führte er seine erste eigene Nummer auf, wie er sagt. Nur rund drei Jahre später trat er in die Fußstapfen seines Vaters Alexander, der zuvor als Clown „Beppo“ tollpatschig durch die Manege stapfte. Mittlerweile führt Alexander Traber am Mikrofon durch das knapp zweistündige Programm. Die Rolle des Clowns hat er seinem Sohn überlassen, auch Jamies Cousin „Totti“ — lediglich ein Jahr älter als er — ist als Clown beim Circus Traber aktiv.

„Man muss schon eine Rampensau sein“, sagt Jamie, als wäre er schon seit Jahrzehnten im Geschäft. In sein eigenes Programm redet ihm niemand mehr rein. Er bestimmt, was er tut. Egal, ob Stuhlpyramiden, Seilchenspringen mit dem Publikum oder Popcorn-in-den-Mund-werfen — Jamie stellt sein Programm jede Saison neu zusammen. Nebenbei ist er leidenschaftlicher Schlagzeuger. Sein Vorbild ist, neben seinem Vater, der Clown „Fumagalli“ vom Circus Krone. „Er ist einfach eine Legende“, sagt Jamie, der sich extra eine ähnliche Uniform wie Fumagalli hat anfertigen lassen.

Das Leben im Wohnwagen kennt der 1,40-Meter-Knirps von Geburt an. Ein geregeltes Schulleben? Fehlanzeige. Für Jamie ist das jedoch kein Nachteil, sondern Luxus. „Andere Kinder müssen in die Schule gehen. Hier kommt die Schule zu uns“, sagt er. Rund dreimal pro Woche rollt die Schule für Zirkuskinder in Nordrhein-Westfalen an den jeweiligen Standort, um Jamie und Co. zu unterrichten. „Wir kriegen dafür mehr Hausaufgaben“, sagt der Elfjährige, dessen Mutter im Zelt für die Musik zuständig ist.

Geht es nach Jamies Cousin Renaldo, dann kann man sich den Job des Clowns nicht aussuchen. „Entweder man hat es in sich, oder nicht“, sagt der 22-Jährige. Schon früh habe Jamie Posen und Mimiken seines Vaters nachgeahmt. „Das Talent dafür wurde ihm in die Wiege gelegt. Er konnte es kaum abwarten, endlich selbst in die Manege zu treten“, sagt Renaldo, der bestätigt, dass es sehr schwer geworden ist, sich als Zirkus über Wasser zu halten. Bis zu 350 Personen passen in das Zelt. Manchmal kommen aber nur 20 oder 30 Besucher zur Vorstellung. Umso mehr müssen die Mitglieder des Familienbetriebes — Jamie ist bereits die sechste Generation — ihre Fähigkeiten einbringen und durch zahlreiche Städte in NRW touren, um die Menschen zu begeistern. Doch für Sorgen dieser Art hat Jamie keine Zeit — seine Aufgabe ist das Lachen.