Grevenbroich: Charlotte Horn gibt Opfern der Nazis ein Gesicht
Die Ausstellung „Unwiederbringlich“ in der ehemaligen Synagoge Hülchrath zeigt Zeichnungen zum Holocaust.
Grevenbroich. "Unwiederbringlich" heißt die Ausstellung von Charlotte Horn, die seit Dienstag in der ehemaligen Synagoge Hülchrath gezeigt wird.
Nicht zufällig hat sie sich für Bleistift und Grafitstift entschieden, die sie als "unmittelbarste Äußerung eines Künstlers" bezeichnet: "Man kann damit ganz fein arbeiten, aber auch tief in die Schwärze hineingehen."
Ein angemessenes Medium also, um die Leiden des Holocaust bildlich umzusetzen - sofern dies überhaupt möglich ist. Die nationalsozialistische Judenvernichtung gehe über die Grenzen des Fassbaren hinaus, sagt Charlotte Horn.
"Sie ist einerseits Beispiel dafür, zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind, andererseits zeigt sie, welche Leiden Menschen ertragen können. Nach und nach wurden den Juden die Menschlichkeit abgesprochen, bis man ihren Namen im Lager durch eine Nummer ersetzte und sie schließlich fabrikmäßig tötete", sagt die Künstlerin.
Die geraubte Individualität, das Gesicht, will sie den Opfern durch ihre Zeichnungen wiedergeben. Die gezeigten Blätter sind an einem einzigen Tag im November 2005 entstanden, wie sich die 54-jährige Künstlerin erinnert. Den Spuren der Verfolgung begegnet Charlotte Horn immer wieder, "meistens dann, wenn man nicht damit rechnet."
Geboren in Nürnberg, der Stadt der "Nürnberger Rassengesetze", wuchs sie auf mit Erzählungen der Großmutter, die zur Nazizeit im Sudetenland lebte und als SPD-Mitglied in ständiger Angst vor der Verschleppung ins nahe gelegene Lager Theresienstadt lebte.
Andere Erlebnisse haben ebenfalls Spuren hinterlassen: Da waren die beiden Mitreisenden auf einer Bahnfahrt von Aachen nach Brüssel, die über den Mord an ihrer Familie sprachen und das jüdische Totengebet rezitierten. Oder die alte Dame, die ihr während eines Frankreich-Urlaubs die Krypta der Dorfkirche zeigte. An dieser Stelle hatte die Waffen-SS Aufständische erschossen.
Die ausgebildete Juristin hat sich ausgiebig mit dem Holocaust und anderen Verfolgungen beschäftigt. Dabei fiel ihr ein immer gleiches und perfides Muster auf: Zu Beginn würden die Opfer ausgesondert, dann stigmatisiert, anschließend verschleppt und schließlich vernichtet. Die Täter würden sich nicht selten auf wissenschaftlich klingende Scheinbegründungen berufen.
Die Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen, das Zerstörte ist verloren - "Unwiederbringlich". "Aber", sagt Charlotte Horn, "wir können den Toten Ehre erweisen, indem wir ihrer gedenken."