Grevenbroich: „Werkssauna“ geht in Betrieb

Norsk Hydro hat im Erftwerk 20 Millionen Euro in eine neue Anlage investiert, die Bleche für die Autoindustrie fertigt. Dort wird Aluminium erhitzt und abgekühlt.

Grevenbroich. Seit 2002 segelt das Erftwerk unter norwegischer Flagge. Unter dem Dach von Norsk Hydro stieg das Unternehmen kurz darauf in die Fertigung von Autoblechen ein. 2003 wurde die neue Fertigungshalle, die so genannte Automobillinie 1 (AL1), in Betrieb genommen.

Jetzt hat sich die Silhouette des Grevenbroicher Werks erneut verändert. Trotz der schweren Krise in der Autoindustrie, die auch die Zulieferer mit voller Breitseite erreicht, investiert Hydro an der Aluminiumstraße. Über 20 Millionen Euro - und damit fast doppelt so viel wie vor fünf Jahren - hat der Aluhersteller jetzt in die Automobillinie 2 (AL2) gesteckt. Im Juni 2007 fiel der Startschuss für die Investition, im November wurde mit dem Bau der Halle begonnen. Und seit Montag fertigt die neue Anlage die ersten Bleche "made in Grevenbroich". Gestern setzte Hydro-Chef Eivind Reiten aus Norwegen dann mit dem Druck auf den roten Startknopf die Anlage offiziell in Gang.

Mit der neuen Glühlinie bietet Hydro Automobilherstellern ab sofort Karosseriebleche in größeren Breiten sowie technisch führender Oberflächengüte - in dieser Ausgestaltung ist die Gesamtanlage in Deutschland einzigartig. Durch die AL2 werden die weichen Bleche fester und lassen sich gleichzeitig besser zu Karosserieteilen pressen.

Pascal Wagner, Leiter der Geschäftseinheit Automotive, sprach in seiner kurzen Festansprache launig von der neuen "Werkssauna", da die künftigen Außenhäute für Pkw bei Temperaturen von 500 bis 600 Grad fit für die weitere Verarbeitung gemacht werden. Sie werden geglüht, abgeschreckt und anschließend wieder auf Rollen aufgewickelt. In der Fertigungshalle AL1 werden sie dann konfektioniert und oberflächenbehandelt.

Wagner gibt offen zu, dass derzeit niemand einschätzen könne, wie sich die Zuspitzung der Auto- und Finanzkrise auf die Geschäfte der Aluminiumindustrie auswirken könnte, ist aber zuversichtlich: "Ja, ich glaube, dass es richtig ist, in Zeiten der Automobilkrise in diese Linie zu investieren", sagt Wagner. Und fügt dann nicht ohne Witz hinzu: "Auch wenn der Erfolg bestimmt nicht ganz so sicher ist wie das Schwitzen in einer Sauna."

Krise hin oder her, Wagner ist davon überzeugt, dass die Konjunktur auch wieder anzieht und die Anwendungsmöglichkeiten für Aluminium längst nicht ausgereizt sind. Das gelte auch für die Automobilbranche. Weitblick sei gefragt, man dürfe in einer schwierigen Situation nicht in Panik geraten. Ähnlich sieht das auch Hydro-Chef Reiten: "Diese strategische Investition startet zwar in einer wirtschaftlich schweren Zeit, aber ich bin sicher, sie wird sich nachhaltig auszahlen." Trotz hoher Energiepreise und wachsender Belastungen durch die Klimaschutzpolitik glaubt Reiten an die Vielseitigkeit des Werkstoffs: Aluminium sei endlos wiederverwertbar. Durch Recycling spare man erheblich an Energie.

An der AL2 werden Bleche für Motorhauben, Heck, Dächer, Tank oder Türen gefertigt. Karosserieteile haben laut Wagner das größte Wachstumspotenzial von Aluminium im Fahrzeug: "Es führt kein Weg daran vorbei, die Autos leichter zu machen." Erste Aufträge für die neue Glühlinie sind bereits gesichert. Langfristig soll das Automobilzentrum im Grevenbroicher Alu-Werk bis zu 50000 Tonnen pro Jahr liefern können.

Ohne Strom und Wärme läuft bei der Herstellung von Aluminium nichts. "Firmen wie Hydro blicken mit Sorge auf das Jahr 2013, wenn die bisherige kostenfreie Zuteilung von Emissionszertifikaten entfällt", erläuterte Landrat Dieter Patt. Der Rhein-Kreis Neuss verstehe sich dabei als Partner der Unternehmen, erklärte er unisono mit Bürgermeister Axel Prümm. Daher will Patt zu einer Aluminium-Konferenz einladen, in der Fragen zum Standort, der Autoindustrie und des Emissionshandels behandelt werden. "Wir müssen noch enger zusammenarbeiten."

Patt: "Es muss alles getan werden, um alle rund 2000 Arbeitsplätze im Kreis dauerhaft zu erhalten." Durch die AL2 entstehen 18 neue Arbeitsplätze.